Evangelische Kirche mahnt zum Frieden und kritisiert Atompolitik
Mit einer Mahnung zum Frieden in Afghanistan und Kritik an der Atompolitik der Bundesregierung hat am Sonntag in Hannover die Synodentagung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) begonnen.

Der hannoversche Bischofsvikar Hans-Hermann Jantzen forderte im Eröffnungsgottesdienst ein Konzept, wie der militärische Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan schnellstmöglich beendet werden kann. Angesichts des Castor-Transports nach Gorleben kritisierte er eine Vorfestlegung auf den Salzstock im Wendland als Endlager für Atommüll. Bundespräsident Christian Wulff betonte in einem Grußwort an das Kirchenparlament die Bedeutung des christlichen Glaubens für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Der amtierende EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider kritisierte herabwürdigende Äußerungen in der Integrationsdebatte.

Jantzen sagte laut vorab veröffentlichtem Predigttext in der hannoverschen Marktkirche: "Lange haben wir uns eingeredet, die Bundeswehr sei zu einem Friedenseinsatz in Afghanistan. Aber je mehr Zivilisten und Soldaten dort getötet werden, desto mehr wächst der Zweifel." Er räumte ein, dass zur Schaffung von Frieden "im äußersten Fall" auch ein militärisches Eingreifen gehören kann, um schlimmeres Unheil zu verhüten. In Afghanistan jedoch müsse dem zivilen Aufbau des Landes stärker als bisher Vorrang eingeräumt werden. Auf "jegliche westliche Überheblichkeit" sei zu verzichten.

Vorrang für zivilen Aufbau

Jantzen räumte seiner Predigt in der hannoverschen Marktkirche ein, dass zur Schaffung von Frieden "im äußersten Fall" auch ein militärisches Eingreifen gehören kann, um schlimmeres Unheil zu verhüten. In Afghanistan jedoch müsse dem zivilen Aufbau des Landes stärker als bisher Vorrang eingeräumt werden. Zum aktuellen Castor-Transport sagte er: "Die wirtschaftlichen Interessen der Energiekonzerne, die bereits getätigten Milliardeninvestitionen dürfen nicht der Maßstab für politische Entscheidungen sein, sondern das, was lebensdienlich und menschengerecht ist."

Die EKD-Synode tagt bis Mittwoch in Hannover. Im Mittelpunkt steht die Neuwahl eines Ratsvorsitzenden am Dienstag. Einziger Kandidat ist voraussichtlich der rheinische Präses Schneider, der seit dem Rücktritt von Bischöfin Margot Käßmann im Februar das Leitungsamt bereits kommissarisch ausübt. Inhaltlicher Schwerpunkt der Beratungen ist die Bildungsgerechtigkeit.

Integrationsdebatte: Schneider gegen "Scharfmacher"

Auch Schneider ging in seinem Ratsbericht auf die Integrationsdebatte ein. "Die Einwanderungsgesellschaft ist Alltag und Normalität in Deutschland. Sie zu gestalten, braucht keine Scharfmacher, sondern verdient eine klare Analyse, Geduld, Pragmatismus und Kreativität", sagte er. Der 63 Jahre alte Theologe sprach sich zudem für eine neue Debatte in der EKD über die Präimplantationsdiagnostik (PID) aus. Im Interesse von Eltern, die an schweren Erbkrankheiten leiden, sollte die ethische Diskussion neu aufgenommen werden. Bislang hatte sich der Rat der EKD strikt für ein Verbot der PID ausgesprochen.

Schneider sagte, es sei zu kurz geschlossen, "wenn mit absoluter Gewissheit postuliert wird: Geburtenverhütung, pränatale Diagnostik, künstliche Befruchtung und die Präimplantationsdiagnostik pfuschen Gott ins Handwerk und negieren das Bekenntnis zu Gott als dem Schöpfer". Der rheinische Präses betonte, er empfinde Sympathie für Eltern, die die PID als Hilfe ansehen. Ihm sei allerdings bewusst, wie schwer es wäre, Grenzen festzuschreiben und in der Praxis durchzuhalten.

Bei der PID werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor ihrer Einpflanzung in den Mutterleib gentechnisch untersucht. Die Diagnostik soll eine Selektion von Embryonen und damit zuvorderst die Weitergabe genetischer Erbkrankheiten verhindern. Mit ihr können aber auch das Geschlecht und weitere Merkmale von Embryonen bestimmt werden. Eine Neuregelung steht an, weil der Bundesgerichtshof im Juli das bisherige Verbot gekippt hatte. Die Regierungskoalition strebt deshalb eine Gesetzesinitiative an.

Schneiders Wahl gilt als sicher

Der Lüneburger Landessuperintendent Jantzen leitet als Bischofsvikar übergangsweise die hannoversche Landeskirche, nachdem Bischöfin Margot Käßmann Ende Februar nach einer Alkoholfahrt am Steuer ihres Dienstwagens zurückgetreten war. Käßmann hatte als EKD-Ratsvorsitzende zum Jahreswechsel mit Kritik am Afghanistan-Einsatz eine kontroverse öffentliche Debatte ausgelöst. Der EKD-Ratsvorsitz soll bei der Tagung des Kirchenparlaments am Dienstag neu besetzt werden. Die Wahl des rheinischen Präses Nikolaus Schneider, der bereits die Amtsgeschäfte kommissarisch übernommen hat, gilt als sicher. Die Bischofswahl in der hannoverschen Landeskirche ist für Ende des Monats geplant.

Bischofsvikar Jantzen sagte in dem live im ZDF übertragenen Gottesdienst, nur wenn in der Auseinandersetzung um Gorleben festbetonierte Positionen aufgegeben würden, könne es Frieden geben. "Die wirtschaftlichen Interessen der Energiekonzerne, die bereits getätigten Milliardeninvestitionen dürfen nicht der Maßstab für politische Entscheidungen sein, sondern das, was lebensdienlich und menschengerecht ist", sagte er.

Jantzen lobte den anwesenden Bundespräsidenten Christian Wulff für dessen "deutlichen Worte" in der Integrationsdebatte. "Zu Recht verweisen wir auf unser jüdisch-christliches Wertefundament", sagte der Bischofsvikar. Doch gerade das beinhalte den Abbau von Vorurteilen, statt Ressentiments zu schüren. "Wir dürfen denen, die am rechten Rand der Gesellschaft zündeln, nicht das Feld überlassen", forderte Jantzen.

Gemeinschaft von 22 Landeskirchen

Die EKD ist die Gemeinschaft der 22 evangelischen Landeskirchen in der Bundesrepublik mit knapp 25 Millionen Protestanten. Wichtigste Leitungsgremien sind die EKD-Synode mit 126 Mitgliedern, die Kirchenkonferenz und der aus ehrenamtlichen 15 Mitgliedern bestehende Rat. Die EKD wurde im August 1945 im nordhessischen Treysa als Zusammenschluss lutherischer, reformierter und unierter Landeskirchen ins Leben gerufen. Ihre Aufgaben liegen vor allem bei Fragen der öffentlichen Verantwortung der Kirche und bei den Außenbeziehungen.

In den vergangenen Jahrzehnten verlagerte sich der Akzent zunehmend auf den Ausbau des einheitlichen Handelns der Landeskirchen. So ist die EKD etwa zuständig für die Herausgabe der beiden Grundtexte, der Lutherbibel und des Gesangbuchs. Anfang 2007 wurde eine Strukturreform wirksam, die eine enge Verzahnung der Organe und Dienststellen von EKD und den konfessionellen Zusammenschlüssen der Lutheraner und Unierten beinhaltet. Sichtbaren Ausdruck fand dies im Mai 2009 in Würzburg, als die EKD-Synode, die lutherische Generalsynode und die Vollkonferenz der unierten Kirchen erstmals am gleichen Ort tagten.

Die Teilung Deutschlands hatte 1969 auch für die evangelische Kirche eine organisatorische Trennung zur Folge. Nach der politischen Wiedervereinigung schlossen sich 1991 die evangelischen Kirchen in Ost- und Westdeutschland wieder zusammen.

epd