Mutig und friedlich: Pastoren als Vermittler bei der Castor-Demo
Die Amtskleidung einer Pfarrerin beim Castor-Protest ist weiß. Sandra Bils aus der Sankt-Nikolai-Kirchengemeinde in Gifhorn trägt eine reflektierende Weste mit der Aufschrift "Seelsorger" auf dem Rücken. Es ist ihr erster Einsatz bei einer Atomkraft-Demo im Wendland, und sie mag den Job. "Seelsorger" ist ein wenig irreführend, denn in erster Linie sind die 72 Pfarrerinnen und Pfarrer aus dem Kirchenkreis Lüchow-Dannenberg und der weiteren Umgebung als Deeskalations-Manager gefragt. Sie beobachten die Lage und mischen sich ein, wenn es brenzlig wird. Wie am Samstagnachmittag an einer sonst einsamen Straße bei Dannenberg: Atomkraftgegner hatten versucht, einen Tunnel zu graben. Die Polizei griff ein, es kam zu einem Handgemenge. Pfarrerin Sandra Bils war plötzlich mittendrin.
07.11.2010
Die Fragen stellte Anne Kampf

Was genau ist passiert?

Sandra Bils: Als wir angekommen sind, wurden wir gleich hier zu einem Einsatz gerufen. Wir sind ja immer in Dreierteams unterwegs, und da hat die Polizei uns um Hilfe gebeten, weil hier von Demonstranten die Straße unterhöhlt wurde. Da war ein kleiner schwarzer Autonomer Block und die Polizisten, die das absperrten, und da sind wir dann vermittelnd tätig geworden.

Was heißt genau, "vermittelnd tätig geworden"?

Sandra Bils: In diesem Fall haben wir gar nicht so aktiv eingegriffen, sondern meistens hilft es schon, dass wir einfach nur vor Ort sind, dass uns Leute Fragen stellen können, und dass wir einfach dazwischen gehen. Dadurch, dass wir durch die weißen Westen erkennbar sind, hebt sich das natürlich auch ab, gerade wenn Autonome eher dunkler gekleidet sind, das fällt dann auf.

Bleiben Sie dabei neutral?

Sandra Bils: Ja, und das ist auch das Wichtigste daran, dass wir auf die Verhältnismäßigkeiten achten. Also wenn die eine Seite oder die andere Seite über die Stränge schlägt, dass wir dann aufzeigen, dass es vielleicht gerade ein bisschen ungerecht zugeht. Das ist auch unsere vermittelnde Rolle, dass wir Menschlichkeit reinbringen, gerade wenn die Emotionen hochkochen.

Wie haben die Menschen darauf reagiert, dass Sie eingegriffen haben?

Sandra Bils: Ich hab den Eindruck, dass manche wirklich sehr dankbar sind, sowohl auf Polizistenseite, als auch auf Demonstrantenseite. Man merkt natürlich schon, dass es manchmal auch so ein bisschen belächelt wird, "Ach, jetzt kommen die Pastoren" oder "die Menschen mit den Seelsorgerwesten", aber ich hab schon den Eindruck, dass die eine Wertschätzung dafür haben, dass sich Leute hier mutig dazwischen stellen und wollen, dass die Demonstration ein friedlicher Protest ist.

Das ist ja etwas ganz anderes als Ihre normale Tätigkeit in der Kirchengemeinde. Wie empfinden Sie das?

Sandra Bils: Für mich ist das ein spannender Ausgleich. Zu unserem alltäglichen pastoralen Leben gehört ja auch Notfallseelsorge, beispielsweise wenn etwas Schlimmes passiert ist oder auch wenn Menschen in Trauma- und Stresssituationen sind. Ich finde, es bereichert in beide Richtungen. Das was ich hier erlebe, kann vielleicht spannend sein für die Kirchengemeinde, wenn ich im Altenkreis davon berichten kann Andersherum ist aber auch wahrscheinlich das, was ich in der Gemeinde an Ruhe und Kraft bekomme, wieder hilfreich für die Arbeit hier und gibt mir dann auch Kraft und Mut, dazwischen zu gehen.

Was ist Ihr Fazit von diesem Samstag in Dannenberg?

Sandra Bils: Schön, dass der erste Tag so friedlich war, dass unheimlich viele Leute zur Demonstration gekommen sind. Ich denke, Dannenberg hat hier ein schönes Zeichen gesetzt, auch im Hinblick auf die Politik in ganz Deutschland. Ich hoffe, dass es friedlich weiter geht, und mal sehen, was der morgige Tag bringt.