EKD-Ratschef Schneider beklagt Christenverfolgungen
Als "bestürzende Tatsache" hat der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, die Tatsache bezeichnet, dass das Christentum heute die weltweit am stärksten verfolgte Religion ist. Dies dürfe aber keine Auswirkungen auf die Toleranz gegenüber dem Islam in Deutschland haben. Das katholische Hilfswerk missio rief die Bundesregierung angesichts der Bedrohung für Christen im Irak auf, weitere Glaubensflüchtlinge aus dieser Region aufzunehmen.

Schneider sagte der "Frankfurter Rundschau" (Samstag): "Wir müssen unsere Regierungen drängen, die Verletzung religiöser Freiheiten oder gar religiös motivierte Verfolgung in den betroffenen Staaten deutlich anzusprechen." Allerdings dürfe die Diskriminierung von Christen in islamischen Ländern nicht mit der Diskriminierung von Muslimen in Deutschland beantworten. "Das wäre gegen all unsere Vorstellungen von der Religionsfreiheit und den Menschenrechten." 

Der missio-Menschenrechtsbeauftragte Otmar Oehring sagte am Samstag im Deutschlandradio Kultur, die in Nachbarländer wie Syrien oder Jordanien geflüchteten irakischen Christen lebten auch dort in einem islamischen Umfeld und hätten nicht die gleichen Möglichkeiten wie Muslime. Diese Menschen würden "nach und nach ohnehin illegal zu uns kommen". Zwar habe die Nahostsynode der katholischen Kirche an die christlichen Minderheiten appelliert, im Irak zu bleiben, so Oehring. Doch sehe sich die Kirche auch in der Pflicht, jenen zu helfen, die sich bedroht fühlten und im Land keine Zukunft für sich sähen.

Zahl der Gläubigen halbiert

Bei einer Geiseldrama in einer chaldäisch-katholischen Kirche in Bagdad waren Ende Oktober mehr als 50 Gottesdienstbesucher getötet worden. Bereits in den vergangenen Monaten hatte sich die Situation für die christliche Minderheit im Irak durch Anschläge auf Kirchen und kirchliche Einrichtungen verschärft. Die Zahl der Christen im Irak hat sich in den vergangenen zehn Jahren von 1,2 Millionen auf rund 600.000 halbiert. Das sind etwa 1,6 Prozent der Bevölkerung.

Auslöser für Übergriffe gegen christliche Gemeinden sind nach Ansicht von Oehring vor allem "diktaturähnliche" Situationen in vielen islamischen Ländern. "Der Schwächste im Staat ist dann natürlich meistens ein Angehöriger der Minderheit. Der ist dann derjenige, der angegriffen wird, wenn man eigentlich die Regierung meint."

Für einen "akademischen Islam"

Schneider sprach sich in der laufenden Integrationsdebatte für einen "akademischen Islam" aus. Dieser schaffe Platz für die Trennung von Religion und Staat. "Dann wäre auch ein für allemal Schluss mit der irrigen Annahme, das religiöse Gesetz der Scharia könnte jemals Teil der säkularen staatlichen Ordnung werden", sagte der oberste Repräsentant von fast 25 Millionen Protestanten in Deutschland. Schneider übt das Amt an der Spitze der EKD seit dem Rücktritt von Margot Käßmann im Februar amtierend aus. Auf der am Sonntag in Hannover beginnenden EKD-Synode kandidiert der 63-Jährige für eine fünfjährige Amtszeit.

epd