Evangelische Schulen: Vom Grauen Kloster zur Reformpädagogik
Mit dem Schwerpunktthema Bildung liegt die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die von Sonntag bis Mittwoch in Hannover tagt, voll im Trend. Die Zahl der protestantischen Schulen wächst von Jahr zu Jahr. Die Bandbreite der Einrichtungen ist groß, teils ist ihre Qualität höher als vergleichbare staatliche Schulen.
05.11.2010
Von Barbara Schneider

Ein Blick in die Statistik verrät: In Deutschland entstehen immer mehr evangelische Schulen. Allein in den Jahren 1999 bis 2007 wuchs die Zahl um 261 auf 1.134 Einrichtungen unterschiedlicher Prägung. Heute zählt der Arbeitskreis Evangelische Schulen in Deutschland rund 1.300 Schulen, die von der Diakonie, der Kirche, Vereinen oder Stiftungen getragen werden. Tendenz weiter steigend.

"Evangelische Schulen versuchen Schule aus protestantischem Bildungsverständnis heraus zu gestalten", sagt Uta Hallwirth vom EKD-Kirchenamt in Hannover. Was so viel heißt wie: die Persönlichkeitsentwicklung besonders in den Blick zu nehmen, individuelle Fähigkeiten zu fördern. "Jeder soll sich angenommen und wertgeschätzt fühlen", so die Leiterin der Wissenschaftlichen Arbeitsstelle Evangelische Schulen. Evangelischer Religionsunterricht ist dabei in der Regel verpflichtend. An vielen evangelischen Schulen gehören auch Andachten, Morgengebete oder Gottesdienste dazu.

Zweite Chance für Schulabbrecher

Die Bandbreite an Schultypen und Unterrichtsformen ist groß: Neben evangelischen Grundschulen gibt es Hauptschulen, Gesamtschulen, berufsbildende Schulen und Förderschulen in evangelischer Trägerschaft. Altehrwürdige Schulen wie das Graue Kloster in Berlin oder die Wilhelm-Löhe-Schule in Nürnberg stehen neben Einrichtungen wie die CJD-Hauptschule in Versmold, die Schulabbrechern eine zweite Chance geben will. Seit ein paar Jahren finden sich immer wieder auch Neugründungen, wie die evangelische Schule in Berlin-Mitte, die einen reformpädagogischen Ansatz verfolgen. "Die eine evangelische Schule gibt es nicht", betont Hallwirth.

Vor allem im Osten Deutschlands boomen die Neugründungen. "Der Bedarf ist da", sagt die Sprecherin der Schulstiftung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Romy Kornau. Sie führt das Interesse der Eltern auf den Wunsch nach Werteorientierung zurück. "Glaubensgrundsätze und Werte stehen im Vordergrund." Laura Kaiser, deren Sohn die evangelische Grundschule in Dessau besucht, sieht das ähnlich: "Ich habe das Gefühl, dass sich die Leute von der Kirche viel mehr Gedanken über Gemeinschaft, Soziales oder Sinn machen", sagt die 46-Jährige, die selbst mit der Kirche nichts am Hut hat. Außerdem sei die Schule in Dessau gleich ums Eck, ergänzt sie, alle Kindergartenfreunde des Sohnes gingen da hin.

Besser als staatliche Einrichtungen

2005 wurde erstmals eine Untersuchung veröffentlicht, die sich mit dem Vergleich von evangelischen und staatlichen Schulen befasst. Das Ergebnis: Evangelische Schulen haben durchweg eine hohe Qualität und stehen öffentlichen Schulen in nichts nach. In Bereichen wie Leseverständnis beobachteten die Forscher sogar einen Leistungsvorsprung von einem Drittel Schuljahr. "Schulen in evangelischer Trägerschaft bieten ein günstiges Erziehungs- und Sozialisationsmilieu", schlussfolgerte damals die an der Studie beteiligte Nürnberger Professorin Annette Scheunpflug.

"Prinzipiell stehen die evangelischen Schulen allen offen", sagt Hallwirth. Eine Untersuchung in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland ergab, dass im Schuljahr 2008/09 knapp die Hälfte der Kinder an den evangelischen Schulen keiner Kirche angehörten, 42 Prozent waren evangelisch. Zwischen 40 und 140 Euro Schulgeld pro Monat kostet der Besuch einer evangelischen Schule im Durchschnitt. In Einzelfällen könne das Schulgeld aber auch ganz erlassen werden, betont Hallwirth. "Manche Schulen versuchen bewusst Schüler aus sozial schwachen Familien aufzunehmen und haben hierfür einen Prozentsatz festgeschrieben." Jede Schule hat allerdings ihre eigenen Aufnahmekriterien.

epd