Stuttgart-21-Schlichtung: Streit über Strecke
Träger und Gegner von Stuttgart21 streiten nun auch über die Neubaustrecke nach Ulm. Teuer und unwirtschaftlich sei sie, sagen die Kritiker. Bahn und Landesregierung kontern, dass die Gegenseite aber auch keinen besseren Vorschlag mache.

Der Konflikt über die Verlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs unter die Erde weitet sich auf die vorgesehene Schnellbahntrasse nach Ulm aus. In der dritten Runde der Schlichtungsgespräche am Donnerstag kritisierten die Gegner von Stuttgart21, es bestehe die Gefahr, dass die Kosten für die neue Strecke von gegenwärtig 2,9 Milliarden Euro angesichts vieler anspruchsvoller Tunnelbauten immer höher würden. Wegen der starken Steigungen auf der Strecke könnten aber kaum Güterzüge darauf fahren. Die Wirtschaftlichkeit sei deshalb nicht gegeben. Die Bahn hielt dagegen, dass sich die Fahrzeit für Reisende von Stuttgart nach Ulm fast halbiere.

Die Bahn räumte aber erstmals ein, dass die Schnellbahntrasse als Lückenschluss auf der europäischen Hauptverbindung von Paris nach Budapest nicht die Bedeutung hat, die ihr von den Befürwortern bisher zugemessen wurde. "Die Diskussion um die Magistrale ist für die Wirtschaftlichkeit vollkommen irrelevant", sagte Bahnvorstand Volker Kefer. Er fügte hinzu, die Definition der Europäischen Union einer Strecke als Magistrale sei wichtig, um Schwerpunkte für Investitionen zu setzen und ein einheitliches Zugleitsystem zu bekommen.

Wirtschaftsbosse stellen sich hinter Bahnprojekt

[linkbox:nid=23747;title=Fotogalerie]

In die Diskussion um das Milliarden-Projekt schalteten sich die Top-Manager von Daimler, Bosch, EnBW und BASF ein. Auf Initiative von BASF-Vorstandschef Jürgen Hambrecht stellten sie sich geschlossen hinter das Milliardenprojekt. "Industrieunternehmen sind auf eine moderne Infrastruktur genauso angewiesen wie unser Körper auf einen verlässlichen Blutkreislauf", betonte Hambrecht. Investitionen in die Infrastruktur seien Investitionen in den Wohlstand von morgen. Daimler-Boss Dieter Zetsche mahnte, die baden-württembergische Landeshauptstadt brauche einen effizienten Bahnhof.

Bosch-Chef Franz Fehrenbach ging indirekt auf die Schlichtungsgespräche ein. "Eine frühzeitige, offene und kontinuierliche Kommunikation von Beginn an muss allerdings insbesondere bei Verkehrsinfrastrukturprojekten die Regel sein." Auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) räumte eine mangelnde Transparenz in der Entwicklung um Stuttgart21 ein. "Das Projekt macht in erster Linie deutlich, dass wir die Bürgerinnen und Bürger besser an Entscheidungsprozessen beteiligen müssen", sagte er der "Schwäbischen Zeitung" (Freitagausgabe).

Neubaustrecke "untauglich für den Güterverkehr"

Bei der Schlichtung rückte die Neubaustrecke in den Vordergrund. Grünen-Landtagsfraktionschef Winfried Kretschmann sagte, seine Partei sei von ihrer Zustimmung zu dieser Strecke abgerückt, weil sie für den Güterverkehr untauglich sei und die Gefahr einer immensen Kostensteigerung bestehe. Kefer erklärte dagegen, die geplante neue Trasse sei wirtschaftlicher als der Ausbau der bisherigen Verbindung unter Beibehaltung des Kopfbahnhofs in Stuttgart. Allein die Fahrzeit von Stuttgart nach Ulm werde von derzeit 54 auf 28 Minuten verkürzt. Damit werde der Schienenverkehr konkurrenzfähig gegenüber dem Flugzeug und dem Auto.

Dem hielten die Stuttgart21-Kritiker entgegen, es werde bei dieser Rechnung zu wenig einbezogen, dass auch die Autobahn von Stuttgart nach München und die Bundesstraße von Stuttgart nach Ulm ausgebaut würden.

dpa