Rund drei Monate nach den schweren Fluten steigt das evangelische Hilfswerk damit parallel zur laufenden Nothilfe in den Wiederaufbau ein. Carlos Guerrero, Bauexperte bei der Diakonie Katastrophenhilfe sagt: "Die Nothilfe ist nur der erste Schritt." Wichtig für die Menschen seien jetzt der Aufbau von stabilen Häusern und die Hilfe zur Selbsthilfe, damit sich die Betroffenen wieder selbst ernähren können: "Die meiste Arbeit liegt noch vor uns."
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Die 48-jährige Witwe Ameer Jan kann ihr Glück kaum fassen: Sie und ihre sieben Kinder wohnen dank der Diakonie Katastrophenhilfe und Spenden aus Deutschland endlich wieder in ihren eigenen vier Wänden. Die Flut hatte im August das Haus fortgespült. Eine Wand und die Haustür waren alles, was davongeblieben war. Für die Verantwortlichen in Charsadda im Nordwesten Pakistans war schnell klar, dass die siebenfache Mutter die erste in der Gemeinde sein muss, die ein neues Haus bekommt. Wenige Tage später war ihr Grundstück planiert, Kalkstreifen markierten den Verlauf der Mauern und Bauarbeiter aus dem Ort machten sich unter der Anleitung von Wiederaufbau-Profis ans Werk. Guerrero berichtet: "Ameer Jan freut sich sehr über das neue Haus."
Häuser solen keine Ware von der Stange sein
Auch wenn die Witwe kein Geld und keinen Besitz hat, trug sie etwas zum Wiederaufbau bei – sie kochte für den Bautrupp und schaffte es, trotz aller Widrigkeiten an die Lebensmittel zu kommen. Die Mitarbeit bei Wiederaufbau-Projekten spiele eine wichtige Rolle, sagt Carlos Guerrero, der schon in den 70er- und 80er-Jahren in Lateinamerika bei Hilfseinsätzen dabei war. Es sei entscheidend, von den Menschen in der Region zu lernen. Denn sie müssten schließlich später über Jahrzehnte in den Häusern wohnen. Baupläne einfach aus Deutschland mitbringen und in Pakistan umsetzen – das funktioniere nicht. Guerrero: "Wir haben uns nach der Flut 55 Häuser in Pakistan angeschaut und daraus unsere Lehren gezogen."
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Etwa: Toilette, Waschraum und Küche sollen nicht direkt mit den Wohn- und Schlafräumen verbunden sein. Ein kleiner Hof als Trennung ist ideal. Aus solchen Erkenntnissen entwickelte der Bauingenieur mehrere Haus-Prototypen – passend für verschiedene Teile des Landes. Denn je nach Klimazone und Höhe gebe es wärmere und kältere Gegenden. Das müsse bei der Hausplanung eine Rolle spielen.
Dauerhafte Häuser, geplant und errichtet von Menschen für Menschen, dürfen keine Ware von der Stange sein, macht Carlos Guerrero deutlich: "Wir müssen lokale Lösungen anbieten. Also schauen wir nicht nur, wie die Menschen in dieser Region gerne wohnen, sondern achten auch darauf, dass am Ort verfügbares Baumaterial und auch Helfer aus der Gemeinde zum Einsatz kommen." So könne auch Geld in die Wirtschaft am Ort fließen. Alles andere könne nicht von Dauer sein.
Ein Zeichen der Hoffnung vor dem Winter
Auf Dauer sind auch die Häuser angelegt, die die Diakonie Katastrophenhilfe nun für die Betroffenen des Erdbebens baut. Die Wände sind aus stabilen und mit Mörtel verfüllten Hohlblocksteinen gemauert, in die Baustahl zur Armierung eingezogen ist. Carlos Guerrero: "Damit ist das Gebäude, und alles, was darin fest eingebaut ist, prinzipiell flut- und erdbebensicher." Umgerechnet 6800 Euro kostet ein solches Gebäude. Die Bauzeit beträgt drei bis vier Wochen. 2200 Steine sind pro Haus nötig, das sich später erweitern lässt. Bis zu neun Menschen können dann dort wohnen.
Carlos Guerrero findet es beeindruckend, dass die Diakonie Katastrophenhilfe noch vor dem Einsetzen des Winters die ersten Häuser übergeben kann – umso mehr, wenn er an das Ausmaß der Flut denkt: "Die Überschwemmung war so schlimm wie die großen Naturkatastrophen der vergangenen Jahre zusammengenommen." Ein Fünftel der Fläche Pakistans sei überflutet gewesen. Angesichts der gigantischen Zahl von mehr als einer Million zerstörten Häusern sei es schwierig, mit dem Wiederaufbau anzufangen. Doch in dem Bau des ersten Hauses steckt für den weitgereisten Experten auch ein Zeichen der Hoffnung – für Menschen, die buchstäblich vor dem Nichts stehen.