Die Kernfrage: Wohin mit all dem radioaktiven Abfall?
Im Wendland haben die Bürger große Bedenken, ob der Salzstock Gorleben geeignet ist als Endlager für hoch radioaktiven Atommüll. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) betont, es werde ergebnisoffen geprüft. Weltweit gibt es bisher kein Endlager, weil es keine sicheren Erkenntnisse gibt, wie sich der mehr als hunderttausend Jahre lang strahlende Müll in der Erde verhalten wird.

Wie viele Castor-Transporte aus dem Ausland sind noch zu erwarten?

Nach Gorleben sollen noch bis 2017 Transporte rollen. Der Müll kommt aus den Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague (Frankreich) und Sellafield (Großbritannien). Die nicht verwertbaren Reste abgebrannter Brennelemente aus deutschen Atomkraftwerken werden in Spezialbehältern zurückgeführt. Seit 2005 ist zwar die Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennelementen verboten. Aber im Ausland hat sich einiges an deutschem Müll angesammelt. 2011 steht der nächste Castor-Transport nach Gorleben mit erneut elf Behältern mit verglasten Abfällen an.

Wo wird der Müll in Deutschland gelagert?

Bei 13 Atomkraftwerken gibt es Zwischenlager für Brennstäbe und hoch radioaktiven Müll - dort wird der meiste noch anfallende Abfall gelagert, bis es ein Endlager gibt. Zudem muss er vor der Entsorgung erst abkühlen. In Ahaus und Gorleben existieren zudem zentrale Zwischenlager, wo viele Castor-Behälter hinkommen. Durch die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke um im Schnitt zwölf Jahre sind zusätzlich bis zu 4.400 Tonnen hoch radioaktiver Abfall möglich. Die deutschen Atommeiler produzieren jährlich 450 Tonnen Müll.

Welche Bedenken gibt es gegen ein Endlager in Gorleben?

Das Salzbergwerk Asse sollte schwach- und mittelradioaktiven Atommüll verschließen. Doch nach Wassereinbrüchen droht die Schachtanlage einzustürzen, der Müll soll nun für mehrere Milliarden Euro geborgen werden. Es bestehe bei Gorleben auch die Gefahr, dass das Salz nicht dicht genug sei, sagen Kritiker. Zudem bereiten Kohlenwasserstoff-Vorkommen Sorgen. Frühe Kritiker im Bundesamt für Strahlenschutz sollen in den 90er Jahren systematisch kalt gestellt worden sein. Zudem gab es bei Probebohrungen für die möglichen Lagerschächte in den frühen 80er Jahren Gasfunde. 200 Grad heiße Atommüllbehälter könnten Explosionen auslösen, fürchtet Greenpeace.

[linkbox:nid=25289;title=Die Chronologie des Atomlagers Gorleben]

Was spricht für Gorleben?

Geologen halten trotz des Asse-Debakels Salz für gut geeignet zur Sicherung hoch radioaktiver Abfälle. Die Formationen in Gorleben sind 250 Millionen Jahre alt. Es ist Konsens, den stark strahlenden Atommüll in tiefen geologischen Schichten zu lagern - in Gorleben wäre es in 860 Meter Tiefe. Salz hat den Vorteil größerer Hitzebeständigkeit. Abgebrannte Brennstäbe müssen nicht so weit auseinander gelagert werden wie zum Beispiel in Ton. Bei einem Wassereinbruch würde sich aber die Frage der Rückholbarkeit stellen.

Warum erfolgte die Vorfestlegung auf Gorleben?

SPD, Linke und Grüne meinen, Gorleben sei unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) aus politischen Gründen und nicht nach wissenschaftlichen Erwägungen ausgesucht worden. Auch weil es abgelegen an der DDR- Grenze lag. In den 70er Jahren war bei einer Prüfung von rund 250 Salzstöcken Gorleben nicht erste, sondern eher dritte Wahl. Union und FDP weisen die Vorwürfe zurück, ein Untersuchungsausschuss des Bundestags versucht, den politischen Streit zu klären.

Was ist bei der Wiederaufnahme der Erkundung problematisch?

Kritiker meinen, Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) drehe zur Durchsetzung Gorlebens das Rad der Geschichte zurück. Unter dem Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit, dem früheren Eon-Manager Gerald Hennenhöfer, sollen wie vor 1998 wieder Enteignungen von Grundstücksbesitzern möglich sein. Besonders dem Grafen von Bernstorff gehören wichtige Grundstücke und damit die Rechte an dem darunter liegenden Salz. Weil Röttgen auf eine Erkundung nach altem Bergrecht setzt, ist die Bevölkerung ausgeschlossen. Durch fehlende Salzrechte können aber fast zwei Drittel des Salzstocks nicht erkundet werden.

Was sagen die Energiekonzerne?

Die Atomindustrie macht Druck, Gorleben zum Endlager zu machen - bisher wurden 1,5 Milliarden Euro investiert. Im Wendland wird an einer unabhängigen und ergebnisoffenen Prüfung durch Röttgen stark gezweifelt. An einer entscheidenden Sicherheitsanalyse zu Gorleben ist der frühere Chef der Atomsparte von Vattenfall, Bruno Thomauske, beteiligt. Es gibt zudem Versuche, das dem Umweltministerium untergeordnete Bundesamt für Strahlenschutz, das von einigen als Bremser gesehen wird, zu entmachten.

Wie könnten die Bürger besser eingebunden werden?

Bürger im Wendland kritisieren, Gorleben solle seit 30 Jahren mit Polizeigewalt durchgesetzt werden, ohne die Bürger einzubeziehen. Als Vorbild gilt immer wieder die Schweiz. Hier bestimmt das Volk die Atompolitik mit und entscheidet auch mit darüber, wo der radioaktive Müll aus den fünf Atomkraftwerken hinkommen soll. Die Schweizer Regierung will sich 2011 auf mindestens zwei Standorte für schwach- oder hoch radioaktive Abfälle festlegen. Das dreistufige Verfahren soll innerhalb von höchstens zwölf Jahren zum Ergebnis führen.

Wie lagern andere Länder ihren Atommüll?

Als erstes Land hat Finnland mit dem Bau eines Endlagers begonnen. Es wird in Felsgestein gebohrt und soll 2020 in Betrieb genommen werden. Auch Schweden hat bereits ein Endlager im Blick. Hoch radioaktiver Müll soll hier in 500 Meter Tiefe in Urgestein verwahrt werden. In den USA wird der Müll meist dezentral bei den Meilern gelagert. Präsident Obama hat Zahlungen für ein mögliches Endlager bei Las Vegas vorerst auf Eis gelegt. Die französische Regierung prüft die Errichtung eines Endlagers in Nordfrankreich. In Großbritannien gibt es keine Lösung für die Endlagerung ausgedienter Brennstäbe. Russland lagert seine Atom-Abfälle auf Deponien, die zum Teil noch aus den 1950er Jahren stammen.

dpa