Bei der Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Atommüll macht jetzt die EU Druck - kurz vor den erwarteten Massenprotesten gegen den zwölften Castor-Transport nach Gorleben. Der Zug mit den elf Atommüll-Behältern soll am Freitag aus Nordfrankreich starten. Atomkraftgegner rechnen an diesem Wochenende mit mehr als 30.000 Demonstranten im niedersächsischen Wendland - so viele waren es in der 30-jährigen Geschichte des Widerstandes dort nie.
EU macht Druck
Die Initiativen riefen am Mittwoch in Hannover zu friedlichen Protesten gegen den Atomkurs der schwarz-gelben Bundesregierung auf. Die Polizei zeigt sich gelassen, machte aber deutlich, dass sie gegen Gewalt konsequent vorgehen wird. Atomkraftgegner lehnen vor allem die Prüfung des Salzstocks Gorleben als mögliches Atomendlager ab und fordern eine Suche nach alternativen Standorten in Deutschland. Die Weitererkundung Gorlebens liegt derzeit wegen Klagen auf Eis.
EU-Energiekommissar Günther Oettinger stellte in Brüssel Pläne vor, wonach Deutschland und die anderen EU-Länder spätestens bis 2015 konkrete Pläne für die Entsorgung von Atommüll vorlegen sollen. Andernfalls könnte Brüssel rechtlich gegen sie vorgehen. Die Standortfrage - wie das mögliche Endlager in Gorleben - bleibt aber Sache der nationalen Regierung.
"Die Polizei ist nicht unser Gegner"
Zehntausende Atomkraftgegner wollen an diesem Samstag in Dannenberg gegen die Endlager-Pläne der Bundesregierung auf die Straße gehen. Auch zahlreiche Politiker der Grünen und der Linken werden bei den Protesten dabei sein. Atomkraftgegner wollen die Fahrt der Castor-Behälter ins Zwischenlager Gorleben blockieren. Bereits in Süddeutschland soll es erste Protestaktionen geben. Oberstes Ziel der Bürgerinitiativen ist es, dass keine Menschen verletzt werden. "Die Polizei ist nicht unser Gegner", betonte eine Anti-Atom-Gruppe.
Der federführende Lüneburger Polizeipräsident Friedrich Niehörster rechnet nicht mit schweren Krawallen im Wendland. Unter den Demonstranten würden weniger als ein Prozent gewaltbereite Autonome sein, sagte er in Hannover. Mehr als 16.000 Polizisten aus fast allen Bundesländern sollen im Einsatz sein, um den Transport zu sichern.
"Wasserwerfer sind Waffen"
Die Polizei will Störer notfalls mit Wasserwerfern auf Distanz halten. In jedem Castor-Einsatz seien diese Spezialgeräte zum Einsatz gekommen, sagte Polizeipräsident Niehörster. Es gehe darum, Demonstranten "so etwas wie einen Eimer Wasser über den Kopf" zu schütten, damit sie bestimmte Plätze räumten.
Anti-Atom-Initiativen lehnen einen Einsatz dieser Spezialfahrzeuge ab. Wasserwerfer seien Waffen und gehörten nicht in den Landkreis, sagte ein Sprecher der Bäuerlichen Notgemeinschaft, eine Protestgruppe von Landwirten in Lüchow-Dannenberg. Bei Protesten gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 hatte die Polizei mit Wasserwerfern Demonstranten verletzt.
"Eine ätzende Aufgabe, die die Polizei zu erfüllen hat"
Besonders im Auge haben die Sicherheitskräfte diesmal eine Gruppe von Protestierern, die Steine aus dem Gleisbett räumen und so die Fahrt des 2.500 Tonnen schweren Zuges verzögern will. An der Transportstrecke gilt eine Verbotszone im Umkreis von 50 Metern.
Auch mögliche Brandanschläge machten der Polizei Sorge, sagte Polizeipräsident Niehörster. Ein Feuer in der Berliner S-Bahn in dieser Woche geht wahrscheinlich auf Atomkraftgegner zurück. Im Wendland waren vor mehreren Jahren außerdem Polizei-Unterkünfte angezündet und ein Funkmast abgesägt worden.
Niehörster räumte zugleich aber ein, dass der Einsatz bei den Polizisten auf großes Unbehagen stößt. "Dies ist der unbeliebteste Einsatz bei den Polizeibeamten. (...) Es ist eine in Anführungszeichen ätzende Aufgabe, die die Polizei zu erfüllen hat. Aber wir werden sie erfüllen."