"Am Limit", 4. November, 22.00 Uhr auf Arte
Filmemachen, hat Pepe Danquart in einem Aufsatz geschrieben, sei ein "Grenzgang zwischen Wahnsinn, Depression und Euphorie". Die "Huberbuam" würden das vermutlich sofort unterschreiben; bezogen aufs Bergsteigen natürlich. Alexander und Thomas Huber genießen unter Kletterern einen legendären Ruf, weil sie ihren Sport bis an die Grenzen treiben. Danquart betrachtet das Porträt der beiden Extremkletterer als seinen bislang persönlichsten Film: "Das ist ein echter Grenzgang gewesen, auch was die psychische und physische Belastung angeht".
Kein Wunder: Aus Dreharbeiten, die eigentlich sieben Wochen dauern sollten, wurden insgesamt zwei Jahre. Geplant war die Dokumentation eines Rekordversuchs: Die Huber-Brüder wollten eine tausend Meter hohe Granitwand am "El Capitan" im amerikanischen Yosemite-Nationalpark in 150 Minuten erstürmen. Selbst geübte Kletterer brauchen für die Besteigung mehrere Tage. Geschickt verknüpft Danquart mehrere Ebenen. Auf die virtuos gefilmten und geschnittenen Klettersequenzen folgen immer wieder Momente der Ruhe, in denen die Brüder den Sinn ihres Tuns reflektieren. Beim Klettern bekomme man Antworten auf alle großen Fragen: "Es ist nicht der Berg, den du bezwingst, sondern das eigene Ich". Kein Wunder, dass sie Danquart spontan akzeptiert haben: Für den Regisseur, dessen Kurzfilm "Schwarzfahrer" 1984 mit einem "Oscar" ausgezeichnet wurde, ist Filmemachen, wie er gesteht, eine Besessenheit.
Es war daher wohl mehr als bloß eine Laune des Schicksals, dass alles ganz anders kam, weil das Leben sein eigenes Drehbuch schrieb. Alexander, der jüngere Bruder, stürzte ab. Filmisch folgt nun eine Phase der Ruhe, in der man sich von den spektakulären Bildern aus der Wand erholen kann: Eine Reise nach Patagonien wird zur Geduldsprobe, weil das Wetter keinen Aufstieg zulässt. Diese Südamerika-Sequenz ist mit ihrer Düsternis und dem trostlosen Wetter ein denkbar krasser Gegensatz zu den sonnendurchfluteten, von ungemein stimmiger Musik unterlegten Aufnahmen aus dem Yosemite Park. Für die Kameramänner, ebenfalls Extremkletterer, stellte die Arbeit eine enorme Herausforderung dar, denn sie mussten bis zu zwölf Stunden am Tag in der Wand verbringen. Lohn der Mühe sind Bilder, wie man sie in dieser Form noch nie gesehen hat. Wenn die Hubers wie Spider-Man die Steilwand hoch rennen, scheinen die Naturgesetze außer Kraft gesetzt.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).