Merkel präzisierte ihre Aussage "Multikulti ist gescheitert". Dies gelte insofern, als man in vergangenen Jahrzehnten davon ausgegangen sei, Integration sei bei einem bloßen Nebeneinanderherleben möglich, sagte sie. Man habe nicht gesehen, dass Integration viel Engagement und Kraft für die Gesellschaft bedeute. "Hunderttausende von Menschen aus aller Welt leben gut integriert unter uns und mit uns", sagte die Kanzlerin. "Aber es gibt auch noch jede Menge Nachholbedarf bei der Integration."
Passieren soll jetzt Folgendes: mehr Sprachförderung in Kindergärten, Individualförderung in Schulen, mehr Engagement in sozialen Brennpunkten. Es sollen exakte Integrationsziele festgestellt werden, die gemeinsame Arbeit werde verbindlicher, sagte Merkel. Als Beispiel nannte sie die Integrationskurse. Bis zum Jahr 2015 werde jeder, der einen Kurs besuchen wolle oder müsse, auch einen solchen Kurs absolviert haben. Die Bundesregierung rechnet damit, dass in zehn Jahren rund 1,8 Millionen Menschen an den Integrationskursen teilnehmen werden. Die Kurse gibt es seit 2005. "Wir holen in zehn Jahren nach, was in den dreißig Jahren zuvor versäumt wurde", sagte Merkel.
Wartelisten bei Integrationskursen
Auf Initiative von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte das Kabinett vor einer Woche unter anderem eine stärkere Kontrolle der Teilnahmepflicht von Zuwanderern an Integrationskursen beschlossen. Bereits zuvor hatte de Maizière von 10 bis 15 Prozent Integrationsverweigerern gesprochen - doch die Zahlen sind umstritten. So nimmt die Opposition einen Zeitungsbericht als Steilvorlage, der Minister halte genaue Zahlen zu dem Thema unter Verschluss. "Das ist unseriös", sagt SPD-Fraktionsvize Olaf Scholz.
Fakt ist: Vergangenes Jahr verpflichteten die Ausländerbehörden 2.482 Zuwanderer, die schon länger in Deutschland sind, zu Integrationskursen - 99 Prozent nahmen nach einer Statistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge teil. 2011 plant die Regierung nach einer Antwort an die Grünen unverändert rund 218 Millionen Euro für die verschiedenen Integrationskurse an - obwohl in diesem Jahr bereits Ende September 201 Millionen aufgebraucht waren. Dabei stehen rund 10.000 Menschen seit Herbst auf Wartelisten bei freiwilligen Kursen, weil für den Unterricht nicht genug Geld da sei, wie Volkshochschulen und andere Bildungsträger warnen.
EKD für pragmatische Integrationspolitik
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat vor einer überstürzten und undifferenzierten Einführung weiterer Sanktionen gegen sogenannte Integrationsverweigerer gewarnt. Das könne die Bemühungen der Politik um bessere Bedingungen für Integration konterkarieren, sagte der Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Bundesregierung, Bernhard Felmberg, am Mittwoch in einem epd-Gespräch in Berlin. Er appellierte an die Politik, die pragmatische Integrationspolitik beizubehalten. Die bisherigen Integrationsgipfel hätten gezeigt, dass Anstrengungen der gesamten Gesellschaft unerlässlich seien. Wirtschaft, Bund und Länder hätten sich verpflichtet, Menschen mit Migrationshintergrund vermehrt bei Einstellungen zu berücksichtigen, erinnerte Felmberg. "Dieser lösungsorientierte Weg muss weiter gegangen werden."
In Integrationsvereinbarungen solle künftig festgeschrieben werden, was ein Einwanderer an Unterstützung bekommen solle, erläuterte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU). Zugleich solle festgelegt werden, was der Staat von dem Einwanderer erwarte. Darüber hinaus sollen Böhmer zufolge die sprachlichen, schulischen und beruflichen Voraussetzungen festgehalten werden, mit denen ein Zuwanderer nach Deutschland kommen darf. Diese Integrationsvereinbarungen sollen vom ersten Quartal des kommenden Jahres an erprobt werden.
Rund 120 Teilnehmer hatten auf dem Gipfel über die Themen Bildung, Arbeitsmarkt und Integration gesprochen. Neben mehreren Bundes- und Landesministern waren Vertreter der Parteien, der Wirtschaft, der Medien, der Polizei, aus dem Sport und von Migrantenorganisationen ins Kanzleramt gekommen.