Denkzettel für Demokraten bei US-Kongresswahl
Dramatischer Wahltag für US-Präsident Obama: Seine Demokraten büßen nach ersten Ergebnissen im Abgeordnetenhaus die Mehrheit ein. Das Regieren wird damit noch schwerer. Doch im Senat behalten die Demokraten voraussichtlich die Macht.
03.11.2010
Von Gabriele Chwallek

Nur zwei Jahre nach seinem triumphalen Einzug ins Weiße Haus haben Amerikas Wähler US-Präsident Barack Obama einen Denkzettel verpasst. Seine Demokratische Partei wird nach ersten Ergebnissen und Prognosen von US-Fernsehsendern nach vier Jahren die Kontrolle über das Abgeordnetenhaus verlieren. Im Senat hingegen behält die Obama-Partei nach Prognosen des Fernsehsenders CNN trotz Einbußen die Macht. Auch der demokratische Fraktionschef im US- Senat, Harry Reid, verteidigte in einem spannenden Rennen seinen Sitz.

Massive Niederlage im Abgeordnetenhaus

Das Regieren wird für den Präsidenten nach dem Verlust des Repräsentantenhauses erheblich schwerer. Die Republikaner können dort künftig alle Gesetzesinitiativen von Obama torpedieren. Allerdings ist es in der Vergangenheit schon häufig vorgekommen, dass die Partei des Präsidenten bei den "Zwischenwahlen" die Kontrolle über den Kongress einbüßt, so etwa die Republikaner 2006 oder die Demokraten unter Bill Clinton 1994.

Die Demokraten hatten vor der Wahl in der kleineren Kongresskammer 58 Sitze, zwei unabhängige Senatoren stimmten stets mit ihnen. Nun wird die Mehrheit wohl deutlich knapper werden. Die Niederlage im Abgeordnetenhaus fällt dagegen vermutlich massiv aus: Prognosen gehen von 50 bis 60 Sitzen aus, die die Republikaner dazugewinnen. Einen Verlust in dieser Größenordnung mussten die Demokraten zuletzt 1994 verkraften. Mehrere prominente Kandidaten der rechtspopulistischen Tea-Party-Bewegung konnten sich bei der Wahl auch durchsetzen.

John Boehner: Obamas größter Widersacher im Repräsentantenhaus

Der Sender CNN erwartet bei der Kongresswahl vom Dienstag (Ortszeit) einen massiven Zugewinn der Konservativen im Abgeordnetenhaus von mindestens 52 Sitzen. Die Republikaner bräuchten nur 39, um das Repräsentantenhaus zu erobern. Nach Berechnungen des TV-Senders NBC kommen die Republikaner sogar auf 237 Sitze im neuen Abgeordnetenhaus, das wäre ein Zugewinn von 59 Mandaten. 218 Sitze reichen für die Mehrheit.

Als nahezu sicher gilt, dass John Boehner nach der Wahl zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses gekürt wird. Das macht ihn zum drittmächtigsten Mann im Staat nach Obama und dessen Vize Joe Biden. "Das amerikanische Volk hat (Präsident Obama) heute eine unmissverständliche Botschaft gesandt: Ändere den Kurs", sagte Boehner in der Nacht. Falls sich Obama für einen Kurswechsel entscheide, seien die Republikaner zur Zusammenarbeit bereit.

Demokraten gewinnen Gouverneurswahlen in New York und Kalifornien

Die Republikaner schafften es außerdem, der Obama-Partei mindestens acht Gouverneursposten abzuknöpfen: In Kansas, Oklahoma, Tennessee, Pennsylvania, Michigan, Wyoming, New Mexico und Wisconsin.

Bei den Gouverneurswahlen im Bundesstaat New York und in Kalifornien erlitten die Republikaner hingegen eine Niederlage. Tea-Party-Kandidat Carl Paladino verlor einer CNN-Prognose zufolge im "Big Apple" gegen den Demokraten Andrew Cuomo. Und in Kalifornien setzte sich Jerry Brown als Nachfolger des Republikaners Arnold Schwarzenegger gegen die frühere Ebay-Chefin Meg Whitman durch.

Die Demokraten behielten auch die beiden New Yorker Sitze im US-Senat: Charles Schumer und Kirsten Gillibrand setzten sich gegen ihre republikanischen Herausforderer durch.

Senats-Fraktionschef Harry Reid verteidigt Sitz

In Nevada behauptete sich der demokratische Senatsfraktionschef Reid. Der 70-Jährige, der dem Senat seit fast 25 Jahren angehört, konnte sich gegen die Tea-Party-Kandidatin Sharron Angle durchsetzen, berichtete der TV-Sender CNN. Das Rennen war eines der spannendsten der Kongresswahl, der Ausgang bis zuletzt offen.

Die 61-jährige Angle hat im Wahlkampf durch radikale Vorschläge Furore gemacht: Unter anderem fordert sie ein gesetzliches Alkoholverbot sowie die Privatisierung der Sozialversicherung. Sie will einen größeren Einfluss der Kirche im öffentlichen Leben und sieht ihre Kandidatur als eine "Mission für Gott".

"Wir sind gekommen, um uns unser Land zurückzuholen"

Erfolgreicher als Angle war der republikanische "Tea Party- Kandidat" Rand Paul, der sich bei der Senatswahl in Kentucky durchsetzte. "Wir sind gekommen, um uns unser Land zurückzuholen", sagte Paul. "Das amerikanische Volk ist nicht glücklich damit, was in Washington vor sich geht." Paul fiel bisher vor allem durch kritische Äußerungen über die Anti- Diskriminierungs-Gesetze in den 60er Jahren auf.

Neben Paul konnte sich in Florida mit Marco Rubio ein anderer prominenter Kandidat der Tea Party durchsetzen. Der "Parteirebell" behielt gegen einen unabhängigen Kandidaten und gegen einen Kandidaten der Demokraten die Oberhand.

Niederlage für Tea-Party-Star O'Donnell

In Delaware war die konservative Bewegung wenig erfolgreich: Dort verlor Senkrechtstarterin Christine O'Donnell nach einer CNN-Prognose bei der Wahl zum US-Senat. Sie hatte nach eigenen Angaben früher mit Hexenkraft experimentiert, Sex außerhalb der Ehe und Masturbation als Sünde verdammt und die Gesundheitsreform von Präsident Obama als Verbrechen bezeichnet. Linda McMahon, Ex-Chefin des größten Wrestling-Konzerns der Welt, wird nach einer CNN-Prognose ebenfalls nicht in den Senat einziehen. Die 62 Jahre alte Republikanerin scheiterte bei der Wahl in Connecticut.

Zur Wahl standen am Dienstag alle 435 Abgeordnetensitze. Bisher waren 256 von Demokraten besetzt und 178 von Republikanern. Ein Mandat war vakant. Im 100-köpfigen Senat ging es um 37 Sitze.

dpa