Die Polizei hatte vergeblich versucht, die Christen, die am Sonntagabend während eines Gottesdienstes von islamistischen Terroristen überfallen worden waren, zu befreien. Doch als die Polizisten die Kirche in Bagdads Karrade-Viertel stürmten, zündeten die Terroristen ihre Sprengstoffgürtel. Die Agentur Sumeria News meldete, 70 Menschen hätten Verletzungen erlitten.
Laut einem Bericht, den eine der Geiseln per Handy an die irakische Agentur durchgab, begann der Alptraum für die Besucher der Abendmesse der syrisch-katholischen Kirche, als auf der Straße vor dem Gotteshaus eine Bombe detonierte, die mit einem Magneten an einem Auto befestigt worden war. Kurz darauf explodierte dann ganz in der Nähe eine größere Autobombe und mehrere schwer bewaffnete Geiselnehmer stürmten in die Kirche. In einigen Berichten war von fünf, in anderen von acht Geiselnehmern die Rede. Die Terroristen trieben die Gläubigen in ein kleines Zimmer, dessen Türen und Fenster sie verrammelten. Dann fiel der Strom aus. Die Christen warfen sich in Todesangst zu Boden.
"Christen sind eine leichte Beute geworden"
Zu den Toten zählen außer den Gottesdienstbesuchern und den Geiselnehmern nach inoffiziellen Angaben auch mehrere Angehörige der Sicherheitskräfte. Verteidigungsminister Abdel Kader al-Obeidi hatte die Befreiungsaktion am Sonntagabend als "erfolgreiche Operation" bezeichnet. Er sprach außerdem von einer "begrenzten Anzahl von Opfern". Der Minister betonte, es sei unbedingt notwendig gewesen, schnell zu handeln, da die Terroristen beabsichtigt hätten, möglichst viele Geiseln zu töten.
Kurz nach Beginn der Geiselnahme war auf islamistischen Websites ein Bekennerschreiben im Namen der Gruppe Islamischer Staat im Irak aufgetaucht, einem lokalen Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida. Darin wird ein Zusammenhang zwischen der Geiselnahme und dem Fall einer jungen Ägypterin hergestellt, von der Muslime behaupten, sie sei zum Islam übergetreten und werde nun von der koptischen Kirche Ägyptens festgehalten. Für die Echtheit dieses etwas merkwürdig formulierten Bekennerschreibens gab es keinen Beweis.
Im Irak lebten vor der US-Invasion vom Frühjahr 2003 rund 1,5 Millionen Christen. Mehr als die Hälfte von ihnen ging seither ins Exil, um der Verfolgung durch Terroristen zu entgehen. "Wir Christen sind im Irak zu einer leichten Beute für die bewaffneten Gruppen geworden", klagt Samir Edward aus Bagdad. Wie der 47 Jahre alte Besitzer eines Handelsunternehmens fühlen sich viele Christen von ihrem Staat im Stich gelassen. Vor den Kirchen von Bagdad standen am Montag zahlreiche Polizisten Wache.
Weitere Anschläge in der irakischen Hauptstadt
In Bagdad starben am Sonntagmorgen mindestens sechs Menschen bei der Explosion einer Autobombe. Weiter vier Menschen wurden verletzt, als der Sprengsatz in der Nähe einer Polizeistation im Norden der Hauptstadt explodierte.
Bei einem Selbstmordanschlag in Bakuba nördlich von Bagdad starben am Wochenende mindestens 30 Menschen getötet worden. Nach Angaben der Polizei wurden weitere 67 Menschen verletzt. Der Anschlag am Freitagabend war der schwerste seit Wochen im Irak. Bakuba, die Hauptstadt der Provinz Dijala, war früher eine Hochburg der Al-Kaida.