Die drei EU-Schwergewichte Deutschland, Frankreich und Großbritannien fahren beim EU-Haushalt für das kommende Jahr einen Blockadekurs. Beim EU-Gipfel in Brüssel schalteten sich insgesamt elf Staats- und Regierungschefs persönlich in die laufenden Etatverhandlungen ein - ein äußerst ungewöhnlicher Schritt. Sie wollen den Ausgabenzuwachs 2011 auf 2,9 Prozent begrenzen, während das Europaparlament ein Plus von 6 Prozent fordert.
Kanzlerin Angela Merkel und ihre zehn Kollegen legten in einem Brandbrief dar, es sei den Bürgern nicht verständlich zu machen, dass daheim oft drastisch gespart werden müsse, während das EU-Budget deutlich steige. Lenke das Parlament nicht ein, werde der Haushalt blockiert. Diplomaten sagten, es werde nun "sehr schwierig, für das kommende Jahr einen Haushalt zu bekommen". Klappt eine Einigung nicht rechtzeitig, werden laut EU-Regeln im kommenden Jahr monatsweise Zahlungen abgerufen, die sich auf die Budgetposten 2010 beziehen.
Wortführer Cameron
Der britische Premier David Cameron führte am Donnerstag das Wort für die Elfergruppe und griff Parlamentspräsident Jerzy Buzek direkt an. Diplomaten berichteten von einem Eklat; Buzek auf der einen sowie die Staats- und Regierungschefs auf der anderen Seite hätten sich einen harten Schlagabtausch geliefert. Cameron wurde von Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy unterstützt. Der Protestbrief ging an den ständigen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy.
Der EU-Haushalt 2011 soll nach bisherigen Planungen spätestens in drei Wochen beschlossen sein. Die Elf sperren sich gegen die Forderung des Parlaments nach einer Haushaltssteigerung um sechs Prozent auf gut 130 Milliarden Euro. Im Vermittlungsverfahren mit Parlament und Kommission müsse der Rat an der Erhöhung um maximal 2,9 Prozent auf 126,5 Milliarden Euro festhalten, schrieben sie weiter.
Der Brief wurde von den "Chefs" aus Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich, Schweden, Slowenien und Tschechien unterschrieben. Darin machen sie deutlich, dass sie nicht bereit sind, sich wie oft in der Vergangenheit mit dem Parlament «in der Mitte» zu treffen. Deutschland will im kommenden Jahr im Bundeshaushalt vier Prozent weniger ausgeben, Großbritannien und Frankreich müssen ihre Budgets einfrieren.
"Keine unvernünftigen Erhöhungen"
Buzek verteidigte die Forderung nach sechs Prozent Steigerung als maßvoll: "Das Parlament hat keine unvernünftigen Haushaltserhöhungen gefordert. Wir haben eine gemäßigte Position." Daraufhin begann der britische Premier - erstmals bei einem EU-Gipfel - eine Diskussion über die Rede eines Parlamentspräsidenten.
Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz, sagte zum Brief der Regierungschefs: "Die Erhöhungen, die das Parlament vorgenommen hat, sind keine Erfindungen von irgendwelchen durchgeknallten Abgeordneten." Es handele sich um die Konsequenzen früherer Beschlüsse der Regierungen. Das Parlament sei aber gerne bereit, über eine Verringerung des britischen Beitragsrabatts zu reden. Auch könne man die Ausgaben für die Landwirtschaft reduzieren: "Ich weiß aber nicht, ob Herr Sarkozy damit einverstanden ist", meinte Schulz ironisch.