Abfuhr für Merkel - Höchststrafe ohne Chance
Alles nur Taktik? Kanzlerin Merkel pokert auf dem EU-Gipfel bei der Reform des Euro-Stabilitätspaktes. Zusammen mit Frankreich blitzt sie damit ab, Schuldensündern das Stimmrecht zu nehmen. Doch beim dauerhaften Schutzschirm für den Euro dürfte sie wohl Erfolg haben.
28.10.2010
Von Marion Trimborn

Berlin und Paris dringen darauf, dass die Währungsunion krisenfest gemacht wird. Dazu gehört vor allem für die Deutschen ein dauerhaftes Rettungssystem von 2013 an für pleitebedrohte Euro-Staaten. Der nach dem Beinahe-Bankrott von Griechenland beschlossene Rettungsschirm im Wert von 750 Milliarden Euro läuft Ende Juni 2013 aus. Für den Fall der Zahlungsunfähigkeit stehen bisher letztlich die Steuerzahler gerade.

Wenn es sein muss: Lissabonvertrag ändern

Als Bedingung nennen EU-Diplomaten, dass sich die Änderung exklusiv auf die Euro-Zone bezieht und so gering wie möglich ist, um in den EU-Staaten möglichst wenige Probleme bei der Ratifizierung in den Länderparlamenten zu bekommen. Änderungen des Lissabon-Vertrages können nur einstimmig beschlossen werden und müssen in den Mitgliedsstaaten von den Parlamenten ratifiziert werden.

Einige Staatschefs signalisierten ihre Zustimmung. Schwedens Regierungschef Fredrik Reinfeld sagte: "Wir sollten sicherstellen, dass es eine sehr kleine Veränderung ist ohne Volksabstimmungen und all die anderen Dinge, die wir in der Vergangenheit gesehen haben."

Auch die finnische Regierungschefin Mari Kiviniemi unterstützte die Kanzlerin. "Wir brauchen einen permanenten Krisenmechanismus für die Eurozone", sagte sie. "Wenn das neue System eine Änderung des Vertrages braucht, dann sollte die Änderung des Vertrages gemacht werden."

Pläne zu Stimmrechten "selbstmörderisch"

Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker, der die Gegner des Stimmrechts-Entzugs um sich sammelte, hielt eine "Lösung light" für möglich. Der Krisenmechanismus müsse aber auf die Euro-Zone beschränkt bleiben - nicht, dass etwa die Briten noch andere Änderungswünsche hätten oder ein Referendum für nötig hielten.

"Das läuft nicht, das wird nur tief verwurzelte Probleme nach sich ziehen", sagte Reinfeldt zum Thema Stimmrechtsentzug. Auch Griechenlands Regierungschef Giorgos Papandreou betonte: "Wir sind gegen jede Diskussion über die Aussetzung von Stimmrechten." Griechenland hatte jahrelang Schulden angehäuft und musste im Frühjahr mit einem milliardenschweren Hilfspaket vor der Pleite gerettet werden.

Auch der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, lehnt dies ab. "Wenn Vertragsänderungen die Einschränkung der Stimmrechte von Mitgliedsstaaten bedeuten, halte ich das für inakzeptabel", sagte Barroso. "Das wird niemals mit Einstimmigkeit von den Mitgliedsstaaten akzeptiert werden." Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Viviane Reding, nannte die deutsch-französischen Pläne "selbstmörderisch".
 

dpa