TV-Tipp: "Verliebt in einen Unbekannten" (ARD)
Kinderbuchillustrator Benedikt hat kürzlich bei einer gemeinsamen Bergtour seinen besten Freund und Koautor verloren, und dessen Witwe gibt ihm auch noch die Schuld an dem Unfall.
27.10.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Lilly Schönauer: Verliebt in einen Unbekannten", 29. Oktober, 20.15 Uhr im Ersten

Es ist eine Unterstellung, aber stimmen könnte die Behauptung trotzdem: Autorinnen und Autoren sind verpflichtet, in den Freitagsfilmen der ARD den Satz "Hör auf dein Herz" unterzubringen; wenn schon nicht wortwörtlich, dann zumindest sinngemäß. In diesem Film spricht ihn die mütterliche Nachbarin der Heldin aus, was nicht überrascht, denn solche Ratschläge bekommen die verliebten weiblichen Hauptfiguren immer von ihren Freundinnen. Den Zuschauerinnen sprechen sie damit ohnehin aus der Seele, denn eine mitunter allzu schlicht gestrickte Dramaturgie sorgt von Anfang an dafür, dass man gleich erkennt, wer viel besser zu der schönen jungen Heldin passt. Diesmal sind die Kontrahenten ein stets korrekt gekleideter Chef, der auch sonst vor allem Wert auf Ordnung und Disziplin zu legen scheint; und ein muskulöser Naturbursche, den viel Melancholie umgibt. Dass der junge Mann zwar offenkundig Sehnsucht nach der großen Liebe hat, die schöne Clara aber trotzdem zunächst zurückweist, macht ihn selbstredend umso begehrenswerter.

Natürlich ist die Geschichte (Antje Bähr) nicht eben unvorhersehbar, und Regisseur Holger Barthel war offenkundig vor allem daran gelegen, seine äußerst attraktiven Hauptdarsteller sowie das prachtvolle Kärnten rund um Klagenfurt ins beste Licht zurechtrücken. Aber es sind ja vermutlich gerade die Schauwerte, die aus Sicht der Zielgruppe den großen Reiz der Freitagsfilme im "Ersten" ausmachen. Selbst wenn der schmucke Gunther Gillian hier nicht mehr zu tun hat, als wahlweise waidwund oder verliebt dreinzublicken: Kinderbuchillustrator Benedikt hat kürzlich bei einer gemeinsamen Bergtour seinen besten Freund und Koautor verloren, und dessen Witwe (Marion Mitterhammer) gibt ihm auch noch die Schuld an dem Unfall. In einer einsamen Berghütte will er zur Ruhe kommen. Aufgrund einer Verwechslung nistet er sich in der Hütte der Auktionatorin Clara (Lara Joy Körner) ein, die der rätselhaften Aura des jungen Mannes prompt erliegt, obwohl sie kurz davor ist, mit ihrem Freund und Chef Robert (Andreas Brucker) nach London zu ziehen. Als sie dann noch erkennt, dass der Zeichner wie sie den Blick für „die Dinge hinter den Dingen“ hat, ist es um sie geschehen. Allein ihr Pflichtgefühl bindet sie noch an Robert; außerdem gelingt es Benedikt nicht, den letzten Zweifel zu beseitigen, er könne doch irgendwie am Absturz des Freundes beteiligt gewesen sein. Die Dialoge klingen zwar mitunter kräftig nach Lebensratgeber („Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum“), aber auch daran werden sich Liebhaberinnen von Liebesfilmen kaum stören.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).