TV-Tipp des Tages: "Rhythm Is It!" (Arte)
Dokumentarfilm über ein kühnes Experiment: Choreograf Maldoom soll 250 Jugendliche aus 25 Nationen so trainieren, dass sie am Ende Igor Stravinskys Ballett Le sacre du printemps aufführen.
27.10.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Rhythm Is It!", 28. Oktober, 21.50 Uhr auf Arte

Diese Ruhe! Plötzlich ist es verstummt, das Kichern und das Giggeln, das nervöse Husten und das Scharren mit den Füßen. Endlich haben sie es begriffen: das Geheimnis jener Stille, vor der sich alle gefürchtet haben. "Die Stille ist das Geheimnis des Tanzes", sagt Royston Maldoom: "Wenn ich es schaffe, den Leuten dabei zu helfen, still zu sein, dann können sie alles tanzen". Später wird er von Einem zum Anderen gehen und ihnen den Glauben an eine Kraft geben, von der sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal etwas ahnten.

"Rhythm is it!" heißt dieser Dokumentarfilm über ein kühnes Experiment, das nur funktionieren konnte, weil der weitgereiste Choreograf Maldoom eine fast schon übermenschliche Geduld aufbrachte. Am Anfang stand die Idee, die Arbeit der Berliner Philharmoniker auch solchen Menschen näher zu bringen, die sich eher selten in ein Konzert verirren. Am Ende gab es eine Aufführung von Igor Strawinskys Ballett "Le Sacre du Printemps" - mit Laien.

Für die Ausbildung der Tänzer wurde der Brite Maldoom engagiert, der schon seit dreißig Jahren Tanzprojekte an sozialen Brennpunkten durchführt. Dies aber dürfte seine größte Herausforderung gewesen sein: 250 Jugendliche im Alter von acht bis Anfang zwanzig innerhalb von sechs Wochen so zu trainieren, dass sie schließlich vor großem Publikum auftreten können. Die Tatsache, dass der Choreograf eine Multikulti-Truppe bändigen musste – die Teilnehmer repräsentierten 25 Nationen -, dürfte die Aufgabe kaum erleichtert haben. Den meisten von ihnen musste er erst mal das nötige Selbstvertrauen geben, damit sie überhaupt derart aus sich heraus gehen können, wie das für die Aufführung nötig ist.

Trotzdem erinnert Maldooms Auftreten nicht selten an einen militärischen Ausbilder. In den Interviews aber zeigt er sich von einer ganz anderen Seite und entpuppt sich als sensibler Mensch mit viel Verständnis für die Jugendlichen. Kein Wunder: Seine eigene Kindheit war ebenfalls alles andere als einfach. Parallel zum Tanzunterricht beobachten Thomas Grube und Enrique Sánchez-Lansch die Proben des Orchesters, und auch Simon Rattle, Dirigent der Berliner Philharmoniker, gibt mehr von sich preis, als er müsste.

Der rund hundert Minuten lange Film hat nur ein Manko: Am Ende reduzieren die Autoren die imposante Aufführung in der Berliner „Arena“ auf lausige zwei Minuten, die aber wenigstens mit fulminantem Applaus belohnt werden. Die strahlenden Gesichter der Teilnehmer sind Beleg genug dafür, dass das Experiment mehr als gelungen ist.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).