Auf diese Pflanze hoffen Millionen Malariakranker: Der Einjährige Beifuß (artemisia annua) enthält einen Wirkstoff, die Krankheitserreger im Blut besiegen kann. Der Pharmazeut Hans-Martin Hirt aus Winnenden bei Stuttgart kämpft seit über 20 Jahren dafür, Beifuß in Entwicklungsländern anzupflanzen, um daraus einen Tee gegen Malaria zu bereiten. Doch in der Fachwelt mehren sich die Stimmen, die eine Tee-Therapie für wenig wirksam halten, im schlimmsten Fall sogar für gefährlich.
Erschwingliches Medikament für Entwicklungsländer
Umstritten ist dabei nicht der Wirkstoff Artemisinin. Der wandert inzwischen auch in Tabletten der Pharmaindustrie und wird mit anderen Anti-Malaria-Mitteln kombiniert, um die Therapie effektiver zu machen. Solche Kombinationen sind wichtig, um einen Parasiten mehrfach anzugreifen. "Sie brauchen Keule und Hammer gleichzeitig, damit sich keine Resistenzen bilden", erläutert Gisela Schneider, Leiterin des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission in Tübingen.
Der weltweite Kampf gegen Malaria in tropischen Ländern hat Schneiders Angaben zufolge in den vergangen fünf Jahren auch ohne den Tee große Fortschritte gemacht. Die Zahl der Todesfälle sei von jährlich 1,5 Millionen auf rund 800.000 gesunken. Moskitonetze mit eingewobenen Insektengiften, bezahlbare Tabletten und eine verbesserte Diagnostik hätten die Krankheit erheblich zurückgedrängt.
Das weiß auch Hans-Martin Hirt. Doch seiner Einschätzung nach können es sich immer noch viele Familien nicht leisten, Malaria-Medikamente zu kaufen. Eine Durchschnittsfamilie in Uganda müsse drei Monatsgehälter für Präparate gegen die fiebrige Infektion ausgeben. Erschwinglich sei es aber, im Garten Beifuß anzupflanzen und aufzubrühen.
Fehlende Studie
Hirt ist kein Amateur. Er hat am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg seinen Doktor als Pharmazie gemacht und später viele Jahre in Afrika gearbeitet. Die von ihm ins Leben gerufene internationale "Aktion für natürliche Medizin" (Anamed) will Wissen über Heilpflanzen verbreiten. Hirt sucht dabei besonders die Zusammenarbeit mit Kirchen und Missionaren, die in Regionen arbeiten, in denen der Tee die einzige Hoffnung zu sein scheint. Er spricht im Kampf gegen Malaria von Heilungsraten von 80 bis 100 Prozent durch Beifuß-Tee.
Diesen Zahlen widerspricht Helmut Scherbaum, Ärztlicher Leiter für Tropen- und Reisemedizin in Tübingen. Sie stammten von Untersuchungen mit Erwachsenen, die vermutlich eine Immunität gegen den Malariaparasiten entwickelt haben und ohnehin gesund geworden wären - auch wenn man nur Aspirin verabreicht hätte. 80 bis 90 Prozent der Malariaopfer seien aber Kinder, die sich noch nicht gegen den Schädling im Blut wehren könnten. Über die Wirksamkeit bei ihnen gebe es keine seriöse Studie, sagt Scherbaum.
Beifuß-Tee: Hilfreich oder wirkungslos?
In der Fachzeitschrift der britischen Königlichen Gesellschaft für Tropenmedizin und Hygiene hieß es 2006, der Kampf gegen Malaria mittels Kräutertee sei "völlig irreführend und sollte so schnell wie möglich vergessen werden". Die Hauptvorwürfe: Als Tee lasse sich Artemisinin nicht vernünftig dosieren, es verweile darüber hinaus nur kurz im Blut. Geringe Konzentrationen machten es dem Parasiten leichter, Resistenzen zu entwickeln. Durch massenhaften Einsatz des Tees könnten mittelfristig auch die Artemisinintabletten wirkungslos werden, wurde gewarnt. Erste Resistenzbildungen beobachte man in Kambodscha.
Hirt argumentiert dagegen, der Beifuß-Tee enthalte bereits zehn gegen Malaria wirksame Stoffe und sei deshalb als Kombipräparat zu betrachten, nicht als Monopräparat. Deshalb hätten sich in den 2.000 Jahren, seit der Tee in China angebaut wird, auch keine Resistenzen entwickelt. Umstritten ist unter den Pharmazeuten, ob diese zehn Substanzen tatsächlich im menschlichen Körper ankommen und wirksam werden oder nicht.
Tropenmediziner Scherbaum warnt besonders Touristen, Entwicklungshelfer und Missionare, sich beim Schutz vor Malaria auf den Beifuß-Tee zu verlassen. Das Risiko einer Ansteckung sei einfach zu groß.