Rechnungshof: Schäuble muss härter sparen
Die obersten Rechnungshüter fordern, dass Finanzminister Schäuble noch stärker auf die Schuldenbremse tritt. Sein Ministerium will aber erstmal nichts an den beschlossenen Finanzplänen ändern.
25.10.2010
Von Tim Braune

Der Bundesrechnungshof hat die schwarz-gelbe Regierung vor Tricksereien bei der neuen Schuldenbremse gewarnt. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) müsse wegen des überraschend starken Konjunkturbooms seine Pläne für den Schuldenabbau bis 2016 neu und ehrgeiziger berechnen. Das fordern die obersten Rechnungsprüfer in einem Bericht an den Bundestag, der der Nachrichtenagentur dpa in Berlin vorliegt.

Schäuble hält am Sparkurs fest

Das Finanzministerium will die Sparziele vorerst nicht ändern. Dagegen dringt die CSU darauf, höhere Einnahmen auch für Steuersenkungen bereits 2012 zu nutzen. Die SPD forderte Schäuble auf zu handeln und warnte, die neue Verfassungsregel schon beim Start auszuhöhlen. Die Schuldenbremse im Grundgesetz gibt vor, dass bei besserer Konjunktur mehr gespart und für schlechtere Zeiten vorgesorgt werden muss.

"Es gibt da keinen Anpassungsbedarf aus der Sicht des Ministeriums", sagte eine Ministeriumssprecherin am Samstag in Berlin. Das Kabinett habe im Juli die Finanzplanungen auf der damals aktuellsten Datenbasis entschieden.

Die CSU verlangt dagegen angesichts der wieder stärker sprudelnden Steuerquellen Steuersenkungen von sechs bis sieben Milliarden Euro zum 1. Januar 2012. "Angesichts dieser Entwicklung kann es keine steuerpolitische Blockade geben", sagte Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon dem "Spiegel". Die FDP will 2012, ein Jahr vor der Bundestagswahl, Steuersenkungen zumindest beschließen, wie ihr Fachmann Daniel Volk der "Bild"-Zeitung sagte.

Schäuble hält am Sparkurs fest. "Wenn man auf dem richtigen Weg ist, darf man nicht abbiegen oder umkehren, sondern muss beherzt voranschreiten. Das sehen alle in der Koalition so", sagte er der "Bild am Sonntag".

Auswirkungen auch auf das "strukturelle Defizit"

Der Bund muss wegen des starken Wachstums in diesem Jahr von bis zu 3,5 Prozent weniger neue Schulden machen als befürchtet. Bundesbank und Rechnungshof gehen von einer Neuverschuldung von "nur" noch rund 50 Milliarden Euro aus.

Das hat Auswirkungen auch auf das "strukturelle Defizit". Bis 2016 muss der Bund dieses Defizit - die um Einmal- und Konjunktureffekte bereinigte Lücke zwischen laufenden Einnahmen und Ausgaben - in gleichmäßigen Schritten auf gut 10 Milliarden Euro drücken.

Ausgangspunkt ist das 2010 erwartete Strukturdefizit. Bisher sind das 53,2 Milliarden Euro, 2011 sollen es knapp 46 Milliarden sein. Wenn Wirtschaft und Finanzen aber besser laufen als gedacht, könnte auch das Strukturdefizit niedriger ausfallen. Mit der Folge, dass das Defizit wegen des strengen Abbaupfads auch 2011 niedriger sein müsste. Was wiederum den Spielraum für Neuschulden einschränkt.

Schäuble will bei den weniger optimistischen Annahmen von Anfang Juli bleiben, was Neuverschuldung und Strukturdefizit 2010 betrifft. Die Rechnungsprüfer fordern aber zeitnah zum Beschluss des Parlaments über den Haushalt 2011 eine Neuberechnung. Der Aufschwung und die höheren Steuereinnahmen müssten berücksichtigt werden.

"Schäuble muss  Realität zur Kenntnis nehmen"

Bei einer für 2010 prognostizierten Nettokreditaufnahme von rund 50 Milliarden Euro wäre die bislang als Startwert zugrunde gelegte strukturelle Neuverschuldung "deutlich zu hoch angesetzt". Das gilt laut Bundesrechnungshof auch für die ermittelte maximal zulässige strukturelle Nettokreditaufnahme von 45,8 Milliarden für 2011.

Daraus ziehen die Experten in einer Stellungnahme für den Haushaltsausschuss des Bundes den Schluss: "Eine solch erhebliche Abweichung des Startwertes und der darauffolgenden Abbauschritte von der tatsächlichen Haushaltslage erscheint dem Bundesrechnungshof als mit dem Sinn und Zweck der neuen Schuldengrenze kaum vereinbar."

Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider erklärte: "Schäuble muss sich bewegen und die Realität zur Kenntnis nehmen." Die Koalition könne nicht die Konjunktur und die sinkenden Arbeitslosenzahlen für sich in Anspruch nehmen, die Auswirkungen auf den Haushalt aber ignorieren. "Die neue Verfassungsregel wird so schon bei ihrer ersten Anwendung ausgehöhlt."

dpa