"Die Tochter des Mörders", 25. Oktober, 20.15 Uhr im Zweiten
Es ist ein beliebtes Filmbild, Menschen buchstäblich in den Keller zu schicken, damit sie dort die Untiefen ihrer Seele ergründen können. In diesem Fall aber steht das Untergeschoss nicht nur sinnbildlich fürs Unbewusste: Als Kind hat die unnahbare und kühle Wirtschaftsprüferin Hanna Meiwald (Sophie von Kessel) die Ermordung ihrer Mutter miterlebt. Ihr Vater ist damals ins Gefängnis gekommen, sie selbst bei Pflegeeltern aufgewachsen. Mit 18 hat sie das heimatliche Dorf verlassen. Aber niemand geht für immer: Als ihr Vater stirbt und in einem Abschiedsbrief seine Unschuld beteuert, überzeugt Hanna einen Kriminalkommissar (Matthias Brandt), den Fall noch mal aufzurollen. Dafür aber muss auch sie selbst wieder in den Keller; im buchstäblichen wie im bildlichen Sinn.
Die weibliche Hauptrolle war sicher nicht einfach zu spielen. Sophie von Kessel ist permanent im Bild und muss dabei stets auch eine Meta-Ebene bedienen. Gewisse Drehbuchideen helfen dabei. Hanna leidet unter Waschzwang, weil sie als Kind das Blut der erstochenen Mutter an den Händen hatte. Dass das einst erlittene Trauma keineswegs verarbeitet, sondern bloß verdrängt ist, zeigt sich an Konzentrationsstörungen, die ihrer Karriere recht schnell ein Ende setzen. Trotzdem lebt der von Johannes Fabrick inszenierte Film (Buch: Claudia Kaufmann) vor allem von der feindseligen Atmosphäre im Dorf. Hannas Mutter galt als Schlampe, ihr Vater als Mörder: Das allein wäre schon kaum auszuhalten. Aber immer mehr verdichtet sich die Gewissheit, dass einer der ehrenwerten Bürger Hannas zudem noch schwangere Mutter getötet hat; und zur finalen Konfrontation kommt es selbstredend am Tatort.
Geschickt vermischt Fabrick Gegenwart und Vergangenheit. Weil sich Hanna mit Hilfe eines Psychologen einer Hypnosetherapie unterzieht, gehen Rückblenden und Erinnerungen gegen Ende sehr effektvoll ineinander über. Dass Kessel auch Hannas Mutter spielt, gibt den Szenen natürlich einen zusätzlichen Reiz. Das dramaturgische Konstrukt mag durchschaubar sein – eine Frau muss sich ihrer Vergangenheit stellen, wenn sie eine Zukunft haben will –, und Psychologen pflegen im Allgemeinen anders als der Volksmund auch nicht vom „Unterbewussten“ zu sprechen, aber Sophie von Kessel, Matthias Brandt und die treffende Zeichnung der bigotten Dorfgemeinschaft sind sehenswert.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).