Klimaschützer stricken an weltweiter Vernetzung
Globalisierungskritische Klimaschützer sind seit dem Klimagipfel in Kopenhagen in einem internationalen Netzwerk namens "Climate Justice Action" organisiert. Über den Aufbau lokaler Aktionsgruppen wollen sie rund um den Globus für wirksamen Klimaschutz kämpfen und haben in der vergangenen Woche erstmals zum weltweiten Protest aufgerufen.
21.10.2010
Von Christine Veenstra

5 Uhr, Samstag, ein Gehöft bei Rommerskirchen im Rheinland: In einer alten Scheune schälen sich 20 Umweltaktivisten aus ihren Schlafsäcken. Ihre Nacht war kurz. Bis in den späten Abend haben sie Pläne für den kommenden Tag besprochen. Mit einer Blockade vor dem Kohlekraftwerk Bergheim-Niederaußem wollen sie einen Beitrag zur globalen Aktionswoche für Klimagerechtigkeit leisten. Umweltschutzgruppen aus aller Welt, die in einem Netzwerk namens "Climate Justice Action" (CJA) organisiert sind, haben dazu aufgerufen, zwischen dem 10. und 17. Oktober für eine andere Energiepolitik und gegen den ungebremsten Ausstoß von klimaschädlichem CO2 zu protestieren. Das rheinische Braunkohlerevier ist einer von zwei Schwerpunkten des Protests in Deutschland.

Es ist noch dunkel, als die Aktivisten zur Tat schreiten. Morgendlicher Trott weicht nur langsam einer angespannten Stille. Die Kohlebahn, die zwischen Kraftwerk und benachbartem Tagebau verkehrt, soll lahm gelegt werden. Und niemand weiß, wie Kraftwerksbetreiber RWE und die Polizei auf eine Sitzblockade unmittelbar vor dem Werksgelände reagieren. Als sich auf dem Hof eine Autokolonne formiert und Richtung Kraftwerk in Bewegung setzt, startet auch der Motor eines grauen Kombis. Der hat die ganze Nacht am Straßenrand vor der Hofeinfahrt geparkt und folgt dem Konvoi jetzt über die Landstraße nach Niederaußem, am Werkstor vorbei bis zum Einsatzort auf den Schienen der Kohlebahn. Einige Bewacher haben die Frühaufsteher somit auf Trab gehalten, und auch in der Presse findet der kleine Protestzug Beachtung.

Aktionswoche ging über den ganzen Erdball

Nichtsdestotrotz: Der Protest im Rheinland bleibt ein symbolischer. Am Morgen der Blockade rollt schlicht kein Zug über die besetzten Schienen an. Ganz anders in Großbritannien. Dort stören mehrere hundert Aktivisten empfindlich den Betrieb einer Ölraffinerie bei London, indem sie die einzige Zufahrtsstraße zum Werk über mehrere Stunden blockieren. In Frankreich richten sich Aktionen gegen den Ölkonzern Total, und von Manila auf den Philippinen über Johannesburg bis nach Buenos Aires finden Protestmärsche und Kundgebungen statt. "Die Aktionswoche geht eigentlich auf eine Initiative in Südamerika zurück", erklärt Tadzio Mueller vom Netzwerk Climate Justice Action. "Dort haben verschiedene Organisationen den 12. Oktober zum "Tag zur Verteidigung der Mutter Erde" ausgerufen. Wir haben uns angedockt und eine weltweite Aktionswoche daraus gemacht." Mit dem Ergebnis ist der CJA-Sprecher zufrieden, auch wenn in Deutschland letztlich kein Massenprotest zustande gekommen ist.

Angesichts des bevorstehenden Castor-Transports am 7. November sei man mit dem Thema Klimawandel hierzulande etwas gegen den Strom geschwommen, glaubt Tadzio Müller. Ergebnis der Aktionen seien deshalb nicht die großen Schlagzeilen, wie sie die Anti-Atombewegung in diesem Jahr mehrfach produziert hat, sondern vielmehr der Aufbau lokaler Strukturen. "An mehreren Orten in Deutschland sind neue Gruppen entstanden, um Aktionen vorzubereiten. Auch aus Kanada und Frankreich wurde das berichtet. Wenn diese Gruppen weiterarbeiten, ist das ein Erfolg der Aktionswoche. Denn unsere Kraft im Kampf für wirksamen Klimaschutz kommt von diesen lokalen Gruppen."

Globalisierungskritik vermischt sich mit Klimaschutz

Climate Justice Action hat sich im Vorfeld des Klimagipfels in Kopenhagen formiert, um für die dortigen Proteste mobil zu machen. Derzeit vollzieht sich ein Wandel vom Mobilisierungsnetzwerk für solche Gipfelproteste hin zu einer stetigen Zusammenarbeit. "Viel funktioniert da nur mit Hilfe des Internets. Wir haben Mailinglisten, um uns gegenseitig über Aktionen und Entwicklungen im jeweiligen Land zu informieren. Dann gibt es Telefonkonferenzen und in einem lockeren Zwei-Monatszyklus echte Treffen", erklärt Müller.

Auch Globalisierungs- und Kapitalismuskritik haben im Netzwerk ihren Platz. Denn letztlich, so betont CJA in einem Positionspapier, sehe man im Streben nach fortdauerndem Wachstum den Grund für den steigenden Energiebedarf. "Von westlichen Regierungen und Unternehmen ist in Sachen Klimaschutz nichts zu erwarten", folgert Tadzio Müller. Angesichts der Häufigkeit mit der in vielen Teilen der Welt Wetterkapriolen für Katastrophen sorgen, sei es deshalb fatal weiterhin tatenlos die Ergebnisse des nächsten Klimagipfels abzuwarten. "Die Fluten in Pakistan und China oder auch die Dürre in Russland – das sind doch Szenarien wie sie die Klimaforschung vorhersagt." Vorwürfe der sogenannten Klimaskeptiker, die von einer Ideologisierung der Klimaforschung sprechen, hält er für Quatsch. "Wir wissen, dass Wissenschaft immer auch ein politischer Prozess ist. Daraus abzuleiten, die Ergebnisse des Weltklimarates seien Unsinn, dass ist eine Schlussfolgerung, die einfach nicht funktioniert."

Positives Resümee für das globale Netz aus lokalen Gruppen

"Wenn die Politik nicht handelt, müssen die Menschen selbst aktiv werden", meint auch Daniela Fischer, Sprecherin der Kampagne im rheinischen Tagebaugebiet. Während im Rheinland mit einem Spaziergang zur Baustelle des mittlerweile dritten Kraftwerks in der Region am Nachmittag der Protest ausklingt, werden Mitstreiter in Leipzig allmählich warm für eine Demonstration gegen Emissionshandel. Orte, an denen Emissionszertifikate an- und verkauft werden, sind Ziel des Protestzuges. Mit Straßentheater wollen die Aktivisten darauf aufmerksam machen, dass Emissionshandel ihrer Ansicht nach nicht zur Reduktion von Klimagas-Ausstoß führt. "Das Gegenteil ist der Fall. Zudem haben Industriekonzerne durch den Emissionshandel unverdiente Gewinne in Milliardenhöhe eingestrichen", erklärt Timmo Krüger von der Gruppe Klimagerechtigkeit Leipzig, die die Vorbereitung vor Ort übernommen hat.

Über das CJA-Netzwerk haben die Leipziger Aktivisten im Frühsommer Kontakt zu Mitstreitern in Berlin aufgenommen. Für eine Hand voll Leute wäre die Vorbereitung des Protests schwierig geworden. Zusammen mit den Unterstützern aus Berlin zieht man jetzt ein positives Resümee. So wird weiter gestrickt, an einem Netz aus lokalen Gruppen, die rund um die Welt für den Klimaschutz aktiv werden. "Auch wenn derzeit andere Themen durch die Presse gehen, wird die Klimadebatte auch in Deutschland irgendwann wieder hochkochen. Dann wollen wir gerüstet sein und mit funktionierenden Strukturen in ganz Deutschland Druck ausüben", sagt Tadzio Müller von CJA.


Christine Veenstra ist freie Journalistin.