Peter Hintze: "PID bedeutet Ja zum Leben"
Die Koalition diskutiert über Präimplantationsdiagnostik, die Kirche diskutiert mit. Peter Hintze (CDU), evangelischer Theologe und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, befürwortet die PID. Christen haben die Verantwortung, die ihnen gegebenen Möglichkeiten, Not zu lindern, auch zu nutzen, argumentiert Hintze.

Uns Christen eint die gemeinsame Überzeugung, dass wir dem menschlichen Leben mit großer Sensibilität zu begegnen haben. Die abendländische Zivilisation betrachtet das menschliche Leben, so wie es uns von Gott geschenkt wird, als den moralisch und rechtlich obersten Wert. Zugleich fordert uns das christliche Gebot der Nächstenliebe dazu auf, unseren Mitmenschen mit Achtung und Würde zu begegnen. Dort, wo Menschen innere und äußere Not erleiden, sind wir aufgerufen, ihnen zur Seite zu stehen und unsere Hilfe zukommen zu lassen.

Die christliche Verantwortung, gegebene Fähigkeiten zu nutzen

Viele Eltern mit einer genetischen Vorbelastung haben den großen Wunsch, ihrem Lebensbund mit einem eigenen Kind Ausdruck zu verleihen und neues Leben zu schenken. Sie wissen um das Risiko einer Schwangerschaft und um mögliche Lebensrisiken für ein Kind, dem eine schwere genetische Belastung mitgegeben wird. Für sie ist diese Unsicherheit mit großen inneren Nöten verbunden. Dies gilt insbesondere für solche Vorbelastungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Totgeburt führen. Vor allem für die Mutter ist dies eine schwere seelische und körperliche Belastung. In dieser schwierigen Situation brauchen Eltern, die sich für ein Kind und für das Leben entscheiden, unsere Zuwendung.

Als Christen stehen wir in der Verantwortung, die uns gegebene Fähigkeit zu nutzen, mit Hilfe der Medizin anderen Menschen zu dienen, und die Not von leidenden Menschen zu lindern. Für mich ist dies Ausdruck christlicher Nächstenliebe und ein Ausdruck unserer Solidarität mit denjenigen unter uns, die Hilfe bedürfen. Daher sehe ich es als unsere Aufgabe an, die Möglichkeiten der modernen Medizin auf verantwortliche Weise in den Dienst dieser Menschen zu stellen und deren Not zu lindern.

Die Präimplantationsdiagnostik (PID) gibt genetisch vorbelasteten Eltern die Chance, Ja zu einem eigenen Kind und Ja zum Leben zu sagen. Diese große Chance sollten wir uns bewahren. Mit der PID wird eine künstlich befruchtete Eizelle vor der Implantation in den Mutterleib auf eine mögliche genetische Belastung untersucht. Die Eltern erhalten auf diese Weise die Sicherheit, Ja zum Leben zu sagen.

Ja zu einem eigenen Kind und Ja zum Leben sagen

Der Bundesgerichtshof hat im Juli dieses Jahres entschieden, dass die PID in engen Grenzen mit unserer Rechtsordnung vereinbar ist. Er hat festgestellt, dass die PID zur Untersuchung schwerer genetischer Belastungen erlaubt ist. Als Christ und unserer Verfassungsordnung gegenüber verpflichteter Politiker bin ich der festen Überzeugung, dass wir es bei dieser vom Bundesgerichtshof festgestellten Rechtslage belassen sollten. Denn ich fürchte, dass wir im Fall eines Verbots in schwere rechtliche und auch moralische Wertungswidersprüche gerieten.

Ein solcher Widerspruch würde dadurch entstehen, dass unsere Rechtsordnung dann einerseits eine schon jetzt rechtlich mögliche Diagnose des Embryos im Mutterleib und im Fall einer entsprechenden Indikation sogar einen Schwangerschaftsabbruch erlaubt, andererseits jedoch Untersuchungen von extrakorporal befruchteten Eizellen außerhalb des Mutterleibs verbietet. So hielte ich es für ethisch und rechtlich unverantwortlich, die PID als den geringeren Eingriff zu verbieten und die Frau bei Vorliegen einer schweren genetischen Belastung gewissermaßen in die Konfliktsituation zu treiben und zugleich den schwereren und die Frau außerordentlich belastenden Eingriff des Schwangerschaftsabbruchs zu gestatten. Der Schwangerschaftsabbruch ist für jede Frau mit schweren seelischen Nöten und großen körperlichen Belastungen verbunden.

Er ist zugleich ein Eingriff in das Leben des Embryos, für den wir uns nur im Hinblick auf den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Mutter entscheiden können. Die PID erlaubt uns, Frauen vor einer schweren Notlage zu bewahren und einen empfindlichen Eingriff in das Leben zu vermeiden. Daher ist die PID eine menschenfreundliche und eine ethisch wertvolle Medizin.

Den Betroffenen und den Ärzten vertrauen

Wir sollten den betroffenen Eltern und den Ärzten Vertrauen entgegenbringen. Angesichts der schwierigen Situation, in der sie über den Prozess des menschlichen Werdens entscheiden, haben sie unser Vertrauen verdient. Frauen, die im Wissen um eine genetische Vorbelastung die Strapazen einer künstlichen Befruchtung bewusst in Kauf nehmen, tun dies aus dem tiefen inneren Wunsch nach einem Kind heraus. Ihnen ein Interesse an einem sogenannten Designer-Baby mit bestimmten körperlichen und geistigen Merkmalen zu unterstellen, hielte ich für zutiefst anmaßend und ungerecht.

Dies gilt auch für die verantwortlich handelnden Ärzte in der Reproduktionsmedizin. Sie wissen, dass die hoch komplexe körperliche und seelische Disposition eines Menschen von unzähligen Umwelteinflüssen abhängt und sich daher einer unmittelbaren Gestaltung durch die Medizin entzieht. Sie wollen Frauen mit den ihnen zu Gebote stehenden Möglichkeiten nach besten Wissen und Gewissen helfen. Daher hielte ich es auch für eine gute und praktikable Lösung, die Entscheidung, in welchen eng definierten Fällen eine PID durchgeführt werden kann, in die guten Hände dieser verantwortlich handelnden Ärzte zu legen.

Als Christen sind wir aufgerufen, ethisch und rechtlich schwierigen Fragen mit der gebotenen Sensibilität zu begegnen. Dies gilt insbesondere für Fragen in ethischen und rechtlichen Grenzbereichen, in denen sich mehrere hochrangige Güter wie das Leben und die körperliche Unversehrtheit gegenüberstehen. In diesem Fällen sind wir gut beraten, unser Urteil im Wege einer verantwortlichen Abwägung zu treffen. Ein rigider Verzicht auf eine solche Abwägung und die damit in Kauf genommene Außerachtlassung der von einer Entscheidung mit betroffenen Güter muss unweigerlich zu moralischen Verwerfungen führen. Es wäre eine Moral zu Lasten Dritter.

Der Mensch ist weit mehr als die Summe seiner Gene

Dies gilt auch im Fall der PID. So hielte ich es für einen großen Fehler, das von einem Schwangerschaftsabbruch betroffene Leben des schwer genetisch belasteten Embryos und das Leben und die Gesundheit der schwangeren Frau bei der Frage außer acht zu lassen, ob wir die PID weiterhin erlauben wollen. Die menschliche Intuition, die Wertungen unseres Grundgesetzes und auch die christliche Anthropologie sagen uns, dass es einen klaren Unterschied gibt zwischen einem Menschen wie du und ich und einer mikroskopisch kleinen befruchteten Eizelle in der Petrischale, die außerhalb des Mutterleibes keine Chance hat, sich fortzuentwickeln.

Nach christlichem Verständnis ist der Mensch weit mehr als nur die Summe seiner Gene. Dies sollte uns dazu führen, dem ungeborenen Leben im Mutterleib mit der PID einen vorbeugenden Schutz angedeihen zu lassen.

Ich wünsche mir, dass wir über die PID eine offene und ehrliche Diskussion führen - als Christen und als politisch Verantwortliche. Und ich hoffe und wünsche mir, dass wir die Kraft haben, mit der PID Ja zum Leben zu sagen.


Peter Hinze (CDU) ist evangelischer Theologe und nimmt neben seinem Bundestagsmandat die Aufgaben eines Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie wahr.