Filmtipp der Woche: "Wall Street: Geld schläft nicht"
Handy im Ziegelsteinformat: Nach acht Jahren Gefängnis wegen Insiderhandels und Betrugs wartet Gekko, gespielt von Michael Douglas, in "Wall Street: Geld schläft nicht" erneut mit Hinterhältigkeiten auf.
19.10.2010
Von Anke Sterneborg

Oliver Stone hat sich immer gerne eingemischt, in die Kriegspolitik seines Landes etwa mit den Filmen "Salvador", "Platoon" und "Born on the 4th of July". Mit "Natural Born Killers" hat er die mediale Gewalt, mit "World Trade Center" den Wundschmerz der Anschläge vom 11. September 2001 thematisiert. Auch die Biografien umstrittener Staatsmänner wie Alexander, J. F. K, Richard Nixon und George W. Bush verfilmte Stone. Nachdem er schon 1987 ein Schlaglicht auf die Aktien- und Immobilienspekulanten der Wall Street geworfen hatte, nahm er jetzt die jüngste Bankenkrise zum Anlass für eine Aktualisierung seines Stoffes. Dafür konnte er den Star des Originals erneut gewinnen.

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In der Erinnerung hat sich das Bild des von Michael Douglas gespielten Finanzhais Gordon Gekko über die Jahre als ausgesprochen modern erhalten. Mit seinen glatt nach hinten gegelten langen Haaren, dem spöttischen Zug um die Lippen, dem kalten Blick seiner blauen Augen, der Eleganz seiner maßgeschneiderten Anzüge, der Eigenwilligkeit seiner breiten roten Hosenträger, dem drahtigen Elan seines Gangs, der Autorität seines Auftretens und der mitleidlosen Skrupellosigkeit seiner Entscheidungen hat er sich ins kollektive Kinogedächtnis eingebrannt.

Und zwar so sehr, dass er im Sequel als König der Wall Street zunächst offiziell entthront werden muss: 2001, nach acht Jahren Gefängnis wegen Insiderhandels und Betrugs, verlässt Gordon Gekko die Haftanstalt im zerknitterten Anzug über blauem Pullover, mit ergrauten, wirren Haaren, Dreitagebart, müdem Blick und zusammengekniffenem Mund, ohne Scheine im goldenen Geldclip und mit Mobiltelefon in der Größe eines Ziegelsteins. Das Einzige, das ihm geblieben ist, sind seine Erfahrungen, die er in einem Buch auf die aktuelle Situation anwendet.

Das gute Gewissen der kalten Finanzwelt

Wie im ersten Teil wird dem großen Gekko auch hier ein junger Partner an die Seite gestellt. Als Jacob Moore steht Shia LaBeouf, der sich in großen Science-Fiction- und Abenteuer-Blockbustern wie "Transformers" und "Indiana Jones" als menschliches Element mit viel Herz und einigem Humor bewährt hat, auch in der kalten Finanzwelt der Wall Street für das gute Gewissen. Er ist so smart und ehrgeizig wie einst der von Charlie Sheen gespielte Bud Fox, investiert aber mit einem zeitgemäß grünem Gewissen in alternative Energiegewinnung.

In Bewegung geraten die Dinge, als die alteingesessene Firma, für die er arbeitet, überraschend zum ersten Opfer der Investitionsblase wird. Dabei übertragen die Autoren Allan Loeb und Stephen Schiff die Koordinaten des realen Börsencrashs ziemlich direkt in den Film, vom Untergang von Bear Stearns über die Verhandlungen vor dem Federal Reserve Board bis hin zum einstellig ausgehandelten Betrag für die Aktien von JP Morgan.

Um sich an dem konkurrierenden Spekulanten (Josh Brolin, der unter Stones Regie schon George W. Bush verkörperte) zu rächen, sucht Jacob Rat bei Gekko, wobei sich ähnlich wie im Original auch hier das Familiäre bald ungut mit dem Geschäftlichen verbindet. Denn pikanterweise ist Jacob mit der entfremdeten Tochter des Börsenspekulanten verlobt, die von Carey Mulligan bisweilen arg tränenselig gespielt wird.

Greifbar: Rastlose Unruhe an den Aktienmärkten

Nachdem Stone trockene Zahlen, sterile Büroräume und biedere Zahlenjongleure schon 1987 in einen elektrisierenden Drive versetzt hat, zieht er das Tempo jetzt zeitgemäß noch ein bisschen stärker an. Die gleitenden Kamerafahrten von Rodrigo Prieto und der rasante Schnitt von David Brenner und Julie Monroe geben den spröden Fakten mitreißende Energie und geschmeidige Eleganz, unterstützt vom metallischen Drive der Songs von David Byrne und Brian Eno. Mit einer Vielzahl visueller Einfälle macht Stone die rastlose Unruhe an den Aktienmärkten greifbar, mit hektischen Splitscreen-Bildfolgen, endlosen Zahlenreihen als luftiges Denkgerüst und Gewinn- und Verlustkurven, die sich an die Skyline von Manhattan anschmiegen.

Zur Kurzweiligkeit des Szenarios tragen zudem das eindrucksvolle Ensemble prominenter Nebendarsteller wie Susan Sarandon oder Frank Langella bei und eine ganze Reihe schillernder Cameoauftritte, unter anderem von Eli Wallach und Charlie Sheen. Am Ende entschwebt die Seifenblase des modernen Bankenwesens in den blauen Himmel; statt zu platzen, fliegt sie einfach über die Kanten des sichtbaren Bildes hinweg, ins Ungewisse.

USA 2010. Regie: Oliver Stone. Buch: Allen Loeb. Mit: Michael Douglas, Shia LaBeouf, Carey Mulligan, Eli Wallach, Josh Brolin. 134 Minuten. FSK: ab 6, ff.

epd