Tschetschenien: Zweiter Angriff innerhalb weniger Wochen
Unbemerkt drangen Bewaffnete in das Zentrum der schwer bewachten tschetschenischen Hauptstadt Grosny vor. Im Parlament erschossen sie dann mindestens drei Menschen. Es war der zweite blutige Angriff binnen weniger Wochen.

Unbemerkt drangen Bewaffnete in das Zentrum der schwer bewachten tschetschenischen Hauptstadt Grosny vor. Im Parlament erschossen sie dann mindestens drei Menschen. Es war der zweite blutige Angriff binnen weniger Wochen. Die Angreifer gelangten mit ihrem Wagen vermutlich in einer Kolonne mit den Autos der Abgeordneten auf das Gelände. Zu dem Zeitpunkt hätten sich wegen einer Sitzung viele Abgeordnete in dem Gebäude aufgehalten, sagte der Sprecher der Ermittlungsbehörde, Wladimir Markin. Die Angreifer töteten mindestens zwei Polizisten sowie den Hausmeister des Parlaments und nahmen Geiseln. Einem Bericht zufolge sprengten sich drei Selbstmordattentäter auf dem Gelände in die Luft, als sich die Sicherheitskräfte näherten.Die Leitung des Parlaments und alle Abgeordneten wurden mit gepanzerten Fahrzeugen in Sicherheit gebracht.

17 Menschen wurden bei der Attacke am Dienstag verletzt. Auch die mutmaßlichen Islamisten starben. Sie seien alle "liquidiert" worden, sagte der kremltreue Republikchef Ramsan Kadyrow nach Angaben der Agentur Interfax. Kadyrow sei kurz nach dem Angriff zum Tatort gefahren und leite persönlich die Gegenmaßnahmen, sagte ein Polizeisprecher in Grosny. Der Angriff im Zentrum der Hauptstadt Grosny ist nach Einschätzung von Experten ein schwerer Rückschlag für den Kreml, der die einstige Bürgerkriegsregion nach eigenen Angaben befriedet hat.

Sie wollen ein von Moskau unabhängiges "Emirat"

Eine Sondereinheit der Polizei untersuchte das Gebäude auf Minen. Der russische Innenminister Raschid Nurgalijew lobte den Einsatz der Behörden als professionell. Die Lage im muslimisch geprägten Tschetschenien sei stabil, behauptete Nurgalijew. Der Kreml hatte den Anti-Terror-Kampf in der Teilrepublik bereits vor längerem für beendet erklärt und etwa 20.000 Sicherheitskräfte abgezogen.

In den angrenzenden Konfliktgebieten Dagestan und Inguschetien sind aber weiterhin tausende Polizisten, Soldaten und Sondereinheiten stationiert. Der Angriff auf das Parlament war die zweite große Attacke in Tschetschenien innerhalb von nur zwei Monaten. Ende August hatten bis zu 60 Terroristen Kadyrows Heimatdorf angegriffen. In den verarmten Unruherepubliken Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien im Nordkaukasus liefern sich islamistische Separatisten und kriminelle Banden immer wieder blutige Gefechte mit kremltreuen Einheiten. Sie wollen ein von Moskau unabhängiges islamisches "Emirat" im Kaukasus errichten.

Kremlchef Dmitri Medwedew wurde im französischen Deauville über den Angriff informiert, wo er sich mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel traf. Die Außenbeauftragte der Europäischen Union, Catherine Ashton, verurteilte den Anschlag. "Wir bestätigen unsere Bereitschaft, unsere Zusammenarbeit mit Russland im Kampf gegen den Terrorismus zu verstärken", sagte sie einer Mitteilung zufolge in Brüssel. Der Präsident des Europaparlaments, Jerzy Buzek, rief Russland auf, in Tschetschenien wieder für Rechtsstaatlichkeit zu sorgen. Kritiker werfen der Führung um Kadyrow Mord und Unterdrückung von unliebsamen Menschenrechtlern, Journalisten und Oppositionellen vor.

dpa