Nach dem Quelle-Aus: "In ein tiefes Loch gefallen"
Manchen steckt der Schock des Quelle-Untergangs noch tief in den Knochen. "Zunächst bin ich in ein tiefes Loch gefallen", bekennt eine frühere Beschäftigte des Versandhauses. Knapp 800 ihrer ehemaligen Kollegen sind ein Jahr nach dem Zusammenbruch des Traditionsunternehmens ebenfalls noch immer arbeitslos. Wenn sie nicht bald einen neuen Job finden, droht ihnen - meist zum Jahresanfang 2011 - der Absturz in Hartz IV.
17.10.2010
Von Klaus Tscharnke

Besonders hart getroffen hat die Abwicklung des Traditionsunternehmens ältere Ex-Quelle-Beschäftigte. Andere haben aus der Not eine Tugend gemacht und neue Wege beschritten. Die Nachrichtenagentur dpa hat ein Jahr nach dem Quelle-Aus mit vier früheren Beschäftigten gesprochen.

Jutta Reck (46)

Sie war zuletzt stellvertretende Betriebsleiterin im Mode-Hängeversand am Quelle-Standort Frauenaurach, zeigt sich auch nach 150 erfolglosen Bewerbungen keineswegs mutlos. "Ich habe so viel Erfahrung und Wissen, ich bin ohne weiteres in der Lage, ein Lager zu leiten", betont sie. Derzeit frische sie bei einem vom Arbeitsamt finanzierten Kurs ihre Englischkenntnisse auf - gemeinsam mit drei früheren Quelle-Kolleginnen.

Bei Quelle, wo die 46-Jährige 29 Jahre tätig war, hat sie eine richtige Karriere hingelegt. "Wenn Quelle nicht pleite gegangen wäre, hätte ich gute Chancen gehabt, in ein paar Jahren Betriebsleiterin zu werden." Und Jutta Reck bewirbt sich unablässig weiter. Für einen neuen Job wäre die alleinerziehende Mutter auch bereit, ihre Heimstadt Fürth zu verlassen.

Edith Rilki (62)

Die Fürtherin macht sich keine Illusionen: "In dem Alter nimmt mich keiner mehr. Jeder Personalchef fühlt sich doch verarscht, wenn ich mich bei dem um eine Stelle bewerbe", analysiert sie ihre Lage schonungslos. Beim Arbeitsamt werde sie nur "verwaltet". Ein Jobangebot habe sie bislang nicht bekommen. Für Rilki brachte die Quelle-Pleite das vorzeitige Ende ihres Berufslebens. In einem Jahr geht sie in Rente. Dabei hätte sie noch gerne ein paar Jahre gearbeitet, berichtet die frühere Betriebsrätin.

Zuletzt war sie in der Auftragsbearbeitung der Quelle-Tochter SB- Großhandel beschäftigt. Wie viele ihrer Kollegen hatte Rilki jahrzehntelang bei Quelle gearbeitet. 1973 hatte sie zunächst als kaufmännische Angestellte begonnen, später wechselte sie in den Export. Was sie bei dem Quelle-Niedergang am Schlimmsten fand: "Diese ständige Hin und Her. Immer wieder wurde uns neue Hoffnung gemacht."

Stefan Kugler (43)

Ihn veranlasste das Quelle-Aus zu einer grundlegenden beruflichen Neuorientierung. Der Fürther, der sich zuletzt um Kundenreklamationen bei Möbellieferungen kümmerte, arbeitet seit dem 1. April als Berufsmusiker. Er spielt in drei Bands und komponiert. Wenn andere Musikgruppen für Auftritte oder bei CD- Produktionen einen Bassisten brauchen, verdingt er sich als "Leihmusiker".

Einfach sei der Start in die Selbstständigkeit nicht: "Jeden Morgen sitze ich am Computer und mache Akquise", schildert Kugler den schwierigen Alltag. Bis Mitte nächsten Jahres will er auch ohne den Existenzgründungszuschuss der Arbeitsagentur über die Runden zu kommen. Dabei hatte er ein Leben als Berufsmusiker nie angestrebt. Die Arbeitsagentur habe ihn aber sehr nachdrücklich auf diese Option hingewiesen - schließlich habe er sich mangels Alternative darauf eingelassen.

Sabine Schweiger (39)

Die frühere Quelle-Vorstandssekretärin hat fast übergangslos eine neue Stelle gefunden und arbeitet heute als Sekretärin in der Chefetage eines großen Nürnberger IT- Unternehmens. Lediglich einen Monat lang war sie arbeitslos.

Zu verdanken hat sie das möglicherweise auch einer pfiffigen Idee. Zusammen mit vier anderen Sekretärinnen engagierte sie einen Fotografen und ließ sich gemeinsam mit ihnen professionell ablichten. Auf Nürnberger Plakatwänden priesen sich die fünf Frauen später großformatig als die "Five Secretaries" an. Nachdem auch die Medien über die Aktion berichtet hatten, stand bei ihnen das Telefon nicht mehr still. Alle fünf Quelle-Sekretarinnen haben inzwischen wieder einen Job.

dpa