Geht der Nervenkrieg im Kachelmann-Prozess weiter?
Im Prozess gegen Jörg Kachelmann soll am Montag die ehemalige Geliebte des TV-Moderators aussagen, die mit ihren Vergewaltigungs-Vorwürfen das Verfahren ins Rollen gebracht hat. Doch ein Befangenheitsantrag könnte die Verhandlung platzen lassen.
17.10.2010
Von Jochen Neumeyer

Der Prozess gegen Jörg Kachelmann soll am Montag fortgesetzt werden - doch wie und für wie lange, das lässt sich nicht absehen. Auf dem Plan steht die Vernehmung der ehemaligen Geliebten des Fernsehmoderators, die ihn beschuldigt, er habe sie mit einem Messer bedroht und vergewaltigt. Doch über dem Verfahren schwebt ein Befangenheitsantrag - hat er Erfolg, so könnte der Prozess platzen.

Bereits am vergangen Mittwoch sollte das mutmaßliche Opfer vernommen werden - doch das Gericht kam nur bis zur Befragung über die persönlichen Daten. Dann gab es eine längere Auseinandersetzung um prozessuale Feinheiten, während die Frau - meist "Sabine" genannt - hilflos auf dem Zeugenstuhl saß. Ihr Gesicht wurde die ganze Zeit auf eine Videoleinwand projiziert. Eigentlich sollte die Übertragung es den Gutachtern ermöglichen, die Mimik der Frau zu beurteilen, doch so war für den ganzen Gerichtssaal deutlich zu sehen, wie sie langsam mürbe wurde.

Verteidiger nennen Richter "befangen"

Schließlich stoppte die Verteidigung die Verhandlung mit einem Befangenheitsantrag. Der Grund: Die Richter lehnten es ab, "Sabine" förmlich darüber zu belehren, dass sie die Aussage verweigern darf, falls sie sich ansonsten selbst belasten würde. Die Verteidigung Kachelmanns sieht darin ein Zeichen, dass die Richter entschlossen sind, der Frau zu glauben und dass sie eine - unter Umständen strafbare - falsche Beschuldigung für ausgeschlossen halten.

Hätte der Antrag gegen die drei Berufsrichter der Strafkammer Erfolg, so müsste der Prozess von vorne beginnen, da sich nur ein Ergänzungsrichter bereit hält. Über den Antrag entscheiden zwei Vertretungsrichter, die normalerweise in anderen Kammern tätig sind, sowie der Ergänzungsrichter, gegen den kein Befangenheitsantrag gestellt wurde.

Die Entscheidung über den Antrag soll frühestens am Montag erfolgen. Doch da der Ergänzungsrichter mit in der Verhandlung sitzen muss (und so lange nicht über die mögliche Befangenheit seiner Kollegen beraten kann), wird damit gerechnet, dass zunächst weiterverhandelt wird. Eine Entscheidung über den Ablehnungsantrag muss spätestens bis zum übernächsten Verhandlungstag am kommenden Mittwoch erfolgen.

Gutachter war Partygast

Ob am Montag dann tatsächlich die ehemalige Geliebte aussagen wird, ist keineswegs sicher: Kachelmanns Verteidiger haben den zunächst zurückgezogenen Gutachter Tilman Elliger zuletzt wieder mit ins Gericht gebracht, allerdings noch keinen Antrag gestellt, ihn als Sachverständigen zu bestellen.

Die Staatsanwaltschaft hatte bereits einen Befangenheitsantrag gegen Elliger angekündigt. Der Psychologe und Psychiater hatte vor Prozessbeginn Aufmerksamkeit erregt, als er nach Kachelmanns Entlassung aus der Untersuchungshaft auf dessen Party auftauchte. So könnte "Sabine" vor ihrer Vernehmung ein weiterer prozessualer Nervenkrieg bevorstehen.

dpa