Die Aufteilung der Gewinne bei Naturmedikamenten ist eines der Hauptstreitthemen auf der Weltkonferenz über biologische Vielfalt, die an diesem Montag im japanischen Nagoya beginnt. Die Entwicklungsländer wollen in einem verbindlichen Protokoll festlegen, wie Unternehmen das traditionelle Wissen und die Pflanzen ihrer Völker vergüten sollen, wenn sie daraus moderne Medikamente entwickeln.
Im Fall von Kanna hat das Unternehmen HGH, das mit der deutschen Firma Gehrlicker GmbH und der US-Firma PL Thomas kooperiert, bereits einmalig mehr als 500.000 Rand (rund 50.000 Euro) an Angehörige des San-Volkes gezahlt. "Dies ist ein absolutes Novum", erklärte Roger Chennels, der Anwalt des San-Rates in Südafrika, dem epd. Vom Netto-Umsatz des geplanten Medikaments sollen die Ureinwohner sechs Prozent erhalten.
Mittel gegen Hunger, Durst und Müdigkeit
Die gelbblühende und wasserspeichernde Kanna, mit wissenschaftlichem Namen "Sceletium tortuosum", enthält ein Alkaloid. Seit Jahrhunderten nutzten die Buschleute die Pflanze, um auf der Jagd Hunger, Durst und Müdigkeit zu verscheuchen und ihre Stimmung zu verbessern. Der Wirkstoff heißt Zembrin.
Der Anwalt der San sagt, schon die Vorauszahlung der Firma HGH übersteigt das, was die San je aus den Umsätzen großer Unternehmen mit Schlankmachern aus dem Hoodia-Kaktus bekamen. Auch bei den Zahlungen für das Hustenmittel Umckaloabo, das aus zwei südafrikanischen Geraniensorten hergestellt wird, soll es sich lediglich um eine Geste des guten Willens handeln.
Der Fall von Kanna liegt anders: Erstmals vergab das Umweltministerium eine Lizenz zur Nutzung einer Heilpflanze und des überlieferten Wissens über ihre Wirkung. Umweltministerin Buyelwa Sonjica lobt das Vorhaben und Vorgehen von HGH. Vor drei Jahren legte Südafrika im Rahmen der Internationalen Konvention über biologische Vielfalt fest, dass Firmen, die Pflanzen der Ureinwohner kommerziell nutzen wollen, Lizenzgebühren an diejenigen zahlen müssen, die über das ursprüngliche Wissen darüber verfügen.
Geld für Schulen und Krankenversorgung
Nach Angaben des San-Anwalts sollen die garantierten Umsatz-Anteile aus Kanna je zur Hälfte an den südafrikanische San-Rat und an zwei Dörfer fließen. "Das ist großartig und vielversprechend", sagte Chennel. Mit dem Geld sollen Schulen gebaut, Gesundheitsstationen erweitert und Arbeitsplätze geschaffen werden. Die meisten der rund 100.000 San im gesamten südlichen Afrika leben in bitterer Armut in sehr abgelegenen Regionen, wo es kaum Jobs gibt.
Der Direktor von HGH Pharmaceuticals, Nigel Gericke, rechnet damit, dass das Antidepressivum in der ersten Jahreshälfte 2011 in den USA und in Südafrika auf den Markt kommt. Paul Flowerman, Präsident der US-Partnerfirma glaubt, dass der Bezug auf die Buschleute als "Ethno-Faktor" ein Erfolgsrezept wird. Als zugkräftige Namen nennt er "San Prozac" (nach dem bekannten Psychopharmakum Prozac) oder "Chill Pill" - die Tablette, die Entspannung verspricht.
Die Pflanze "lässt dein Gehirn hübsch tanzen", erzählte Hendrik Claasen der südafrikanischen Zeitung "Sunday Times". Er lebt in Nourivier, einem der beiden Dörfer, die nun Lizenzgebühren erhalten. Die fleischige Pflanze werde einfach gekaut und beruhige die Nerven, sagt Claasen. Bei ihm im Namaqualand kenne jeder die wildwachsende Sukkulente.
In Südafrika heißt Kanna auch "Kougoed" (Kaugut). Ein Blick ins Internet zeigt, dass sich weltweit auch die Nutzer weicher Drogen für die Wüstenblume interessieren, die gute Laune macht.