Stars der volkstümlichen Musik: Schunkeln mit Jesus
Überzeugung oder Masche? In den populären Programmen mit volkstümlicher Musik sind christliche Botschaften schwer angesagt. Doch manche sehen den Boom frommer Lieder auch kritisch.
15.10.2010
Von Uwe Birnstein

"Ja, es gibt ihn - und er schaut uns zu!" Nein, als Florian Silbereisen diese Zeile sang, meinte er nicht einen seiner Millionen Fernsehzuschauer. Gott war im Spiel bei diesem Fernsehfest der Volksmusik. "Ich glaube an Gott, ich glaub daran! Ich bin ein Teil von seinem Plan!", sang Florian Silbereisen mit treuherzigem Augenaufschlag. "Mal geht's bergab, mal geht's bergauf. Er passt schon auf mich auf!"

Das bemerkenswert freimütige Glaubensbekenntnis passt zu Florian Silbereisen. Der charmante Shootingstar der volkstümlichen Musikbranche gibt sich gern ein bisschen fromm. Bereitwillig lässt er sich auch hinter den Kulissen seiner Show filmen, wenn er inmitten des Studiotrubels vor seinem Auftritt ein Gebet spricht. Dann moderiert der 28-Jährige seine Show, eine abwechslungsreiche Mischung aus Heile-Welt-Bergromantik und Herzschmerz-Schlagern, teils skurrilen Schauspieleinlagen sowie unzähligen kernigen Lederhosen und feschen Dirndln. Und natürlich, eingebettet ins alpine Ambiente, fromme Lieder zum Mitklatschen oder Schunkeln. "Ich glaube an Gott, ich bet' zu ihm. Er hat mir schon so oft verziehn. Und wenn einer sagt, es gibt ihn nicht, so gibt's ihn doch für mich."

Christliche Botschaften sind in Mode

Nicht nur Florian Silbereisen bedient sich frommer Themen. Manchmal scheint es, als seien die "Feste der Volksmusik" oder auch der Musikantenstadl frömmer und tröstlicher als das "Wort zum Sonntag", das nicht selten wegen Zeitüberziehung später als geplant ausgestrahlt wird. Da singen "Vincent und Fernando": "Glaube an Gott, wenn Du mal Sorgen hast. Glaube an Gott, er nimmt dir deine Last." "Die Schäfer", eine Gruppe aus der Melanchthonstadt Bretten, bekennt: "Glaube ist, was die Seele nährt… Liebe, die uns von innen wärmt." Und sogar die jeden Tiefgangs unverdächtige und stets frohgemut lächelnde Stefanie Hertel legt ein Glaubenszeugnis ab: "Glauben, das heißt: Ich kann sicher sein, die Hoffnung in mir lässt mich nie allein. Mein kleines Gebet, es kommt immer an."

So viele Menschen, die volkstümliche Musik und ihre Botschaft mögen, so viele rümpfen auch die Nase. Je gebildeter, desto kritischer fallen offensichtlich die Urteile aus. Kitsch und Kommerz gehen eine unselige Verbindung ein, klagen viele, andere bemängeln das Vorgaukeln einer heilen Welt, die es so gar nicht gebe.

Bündnispartner für die Kirche gesucht

Auch Rudolf Westerheide gehörte lange zu den Kritikern der Musikantenstadl-Kultur. Mittlerweile denkt er anders und beklagt die "politisch korrekte empörte Ablehnung des volkstümlichen Schlagers". Der ehemalige Gemeindepastor, mit klassischer Musik groß geworden, nahm wahr und ernst: Die meisten seiner Gemeindemitglieder, besonders alte Menschen, hörten volkstümliche Schlagermusik. "Mit wachsender Lebensweisheit frage ich mich, ob man etwas, was Millionen von Menschen so viel bedeutet, einfach so in Bausch und Bogen aburteilen kann." Westerheide, der heute als Bundespfarrer den "Jugendbund für Entschiedenes Christentum" leitet, informierte sich, hörte auch die einschlägigen Radiosender. "Eines Tages landete ich sogar in der 'Schlagerhölle'", erzählt er mit Augenzwinkern.

Eine seiner Erkenntnisse: "Vielleicht ist nicht der Schlager dumm und wir so intelligent. Vielleicht haben wir in der Kirche einfach die falsche Sprache. Schlager und Volksmusik haben vielleicht bessere Wege gefunden zu den Herzen der Menschen. Für die vielen Millionen Menschen, die über den Schlager zu erreichen wären, haben wir nichts anzubieten." Sein Vorschlag: Die Kirche könnte sich Bündnispartner auf dem Markt der frommen volkstümlichen Musik suchen. Florian Silbereisen zum Beispiel. Warum sollte der nicht bei großen Kirchenfesten auftreten – und mit seinem Bekenntnislied "Ich glaube an Gott" Menschen missionieren?

"Viele weinen auch"

Mit seiner sonderbaren Idee steht Westerheide nicht alleine. "Wir müssen aufhören, über Volksmusik und Schlager nur die Nase zu rümpfen", wünscht sich etwa der Greifswalder Praktische Theologe Prof. Michael Herbst und weist darauf hin: "Die Menschen, um die es uns um Jesu Willen gehen muss, hören nun einmal eher Florian Silbereisen und Howard Carpendale."

Die bayerische Sängerin Angela Wiedl (43) hat sich bereits unaufgefordert auf den Weg in die Kirchen gemacht. Die erfolgreiche Profimusikerin, ausgezeichnet mit dem "Echo", tritt nicht nur im Musikantenstadl auf, sondern auch in Kirchen. Ihr Programm ist eine gediegene Mischung seriöser Kirchenmusik und religiöser Schlager mit Volksmusik-Flair. "Die Leute gehen gestärkt aus meinen Konzerten heraus. Viele weinen auch", erzählt Angela Wiedl und fragt: "Warum sollte ich den Leuten nicht erzählen, dass ich glaube und dass es mir damit gut geht?"

Was das Publikum nicht weiß: Die meisten ihrer frommen Lieder stammen vom Komponistenduo Ralph Siegel und Bernd Meinunger. In der Schlagerbranche gehören sie zu den erfolgreichsten. "Ein bisschen Frieden" und "Moskau" gehören zu ihren Hits. Die Songs, die sie für Angela Wiedl schreiben, treffen deren Publikum ins Herz: ein bisschen Glaube, viele Heilige von Santa Maria bis Mutter Theresa, dazu Heimat, Berge und Sehnsuchtsmelodien. Und ab und zu ein echter Jodler.

"Das muss irgendwie kitschig klingen"

Ein Jodler verhalf auch Barbara Dorfer (33) zum Erfolg. Vor fünf Jahren gewann sie mit dem Titel "Berge im Feuer" den begehrten "Grand Prix der Volksmusik". Die hübsche Tirolerin war damals Mitglied der Gruppe "Psayrer". Gefühlvoll und leicht unterwürfig legte sie sich bei Auftritten ihrem lederbehosten Duettpartner in die Arme und spielte das verliebte Madel vom Berg.

Das kostbare goldfarbene Dirndl, das damals ihr Dekolleté ins rechte Studiolicht rückte, hängt mittlerweile im Schrank. Denn Barbara Dorfer ist aus der Volksmusikbranche ausgestiegen. "Ich wollte dem Publikum nicht mehr einen Menschen vorgaukeln, der ich gar nicht bin!" Viele Beobachtungen haben sie in ihrem Entschluss gestärkt. "Das Allerschlimmste ist, dass es Kollegen gibt, die wirklich dasitzen und sagen: 'Ich brauch jetzt ein Lied, da muss was mit Gott drin sein und mit Maria und das muss irgendwie kitschig klingen, weil darauf die Leute abfahren.'"

Die unzähligen Geschichten, die Barbara Dorfer aus ihrer Zeit in der volkstümlichen Szene erzählt, lassen die romantischen Fassaden bröckeln. Die "Lieder für die Seele", wie die Tirolerin ihre neue CD nannte, sind ehrlicher. Da geht es nicht nur um romantische Liebe, sondern auch um Trennungen und Lebensbrüche. Dennoch: Auf ein "Ave Maria" wollte die katholische Tirolerin auch hier nicht verzichten. "Mit dem Lied habe ich auf vielen Hochzeiten Menschen zum Weinen gebracht", erklärt sie.

Wenn sie aus ihrem Fenster schaut, sieht sie echte Berge vor sich. Aber die Menschen tragen Jeans statt Dirndl. Sogar in der Kirche.


Uwe Birnstein ist Theologe und Publizist in Berlin. Ein Beitrag zu diesem Thema liegt in der Reihe "Evangelische Perspektiven" als BR2-Hörfunksendung vor und kann im mp3-Format hier angehört werden.