Mary MacKillop: Australien feiert seine erste Heilige
Die Menschen "down under" sind im siebten Himmel, egal zu welcher Religion sie gehören oder überhaupt an einen Gott glauben: Als erste Australierin wird die Ordensfrau Mary MacKillop (1842-1909) am Sonntag in Rom durch Papst Benedikt XVI. in den Kreis der Heiligen aufgenommen. Die katholische Kirche ist mittlerweile die größte Einzelkonfession im Land - vor den Anglikanern.
14.10.2010
Von Robert Spring

Die Kanonisierung "unserer Mary" wird gebührend gefeiert. In Sydney und Melbourne läuft mit großem Erfolg "Mary Mackillop – Das Musical", ein Nobelbäcker hat einen MacKillop-Kuchen kreiert, auf iTunes steht ein MacKillop-Song zum download bereit. In einem eigenen Internetshop sind Devotionalien vom Kühlschrankmagneten bis zum Duftblümchen fürs Klo erhältlich. Da muten die offiziellen Gedenkmünzen und –briefmarken für die von schottischen Einwanderern abstammende Heilige schon fast anrührend altmodisch an.

1867 gründete die in Melbourne geborene Mary MacKillop die Kongregation Sisters of Saint Joseph of the Sacred Heart, die sich um die Bildung und Erziehung von Kindern aus armen Familien kümmerte, und wurde zur ersten Generaloberin dieses ersten in Australien gegründeten Ordens. Die Gemeinschaft wuchs schnell. Bereits Ende 1869 unterrichteten 70 Schwestern an 21 Schulen in verschiedenen Teilen Australiens und Neuseelands. Der Orden unterhielt zudem ein Waisenhaus und kümmerte sich um verarmte ältere Leute.

Den Mächtigen auf die Füße getreten

Die Nonnen beschränkten sich dabei nicht auf fromme Wohltätigkeit, sondern traten selbstbewusst als mutige Streiterinnen gegen die Ursachen von Armut und Ungerechtigkeit auf - und auch gerne den Mächtigen auf die Füße. Als MacKillop und ihre Mitschwestern im Jahr 1870 hartnäckig Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern in einer ihrer Schulen durch einen katholischen Priester zur Anzeige brachten, war das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte: Durch Intrigen des Klerus wurde MacKillop kurzzeitig exkommuniziert.

Die Josefsschwestern sind auch in unseren Tagen unbequem:  Ihr Osttimor-Mission prangerte in den vergangenen Jahren durch eifrige Öffentlichkeitsarbeit immer wieder das Bestreben Australiens an, sich den größten Teil der Öl- und Gasvorkommen in der Osttimorsee anzueignen. Dass letztlich das bitterarme Osttimor doch einen halbwegs fairen Anteil an den Ölmilliarden erhält, ist nicht zuletzt den Nachfolgerinnen von MacKillop zu verdanken.

8.000 Australier live dabei

Die Heiligsprechung ist auch ein großes Geschäft. Mehr als 8.000 Australier werden bei dem großen päpstlichen Event am Sonntag in Rom live dabei sein. Das hat die Kassen der Reisebüros, Fluggesellschaften und Hotels klingen lassen. Down under ist in den großen Städten wie Melbourne und Sydney Public Viewing der live übertragenen Zeremonie organisiert. Das Örtchen Penola im Südaustralien, wo MaryKillop ihre erste Schule gründete, freut sich schon auf die Pilgerdollar, und das Fremdenverkehrsamt von Südaustralien erhofft sich auch in Zukunft einen touristischen Segen durch den MacKillop-Tourismus.

Die offizielle Delegation der australischen Regierung führt ausgerechnet Außenminister Kevin Rudd an, der mehr noch als die Regierung Australiens religiöse Ambivalenz repräsentiert. Aufgewachsen als Katholik, ist Rudd später - zum Teil aus Liebe zur seiner Frau - zur anglikanischen Kirche konvertiert. Das sieht die katholische Kirche nicht gerne, und die Anglikaner dürften nicht himmelhochjauchzend sein, dass ausgerechnet einer der Ihren Teil des katholischen PR-Coups ist.

Konvertit Rudd leitet Delegation

Die Reaktionen auf die Heiligsprechung MacKillops (Foto: Pilger an ihrem Grab in Sydney) sind auf anglikanischer Seite schmallippig ausgefallen. Erzbischof Phillip Aspinall, Primas der australischen Anglikaner, ließ sich gegenüber örtlichen Medien nur zu der Bemerkung hinreißen, Mackillop sei "eine Inspiration für viele Australier". Peter Jensen, anglikanischer Erzbischof von Sydney sowie national und international einer der Wortführer der evangelikalen Anglikaner, wollte der Bitte von evangelisch.de um einen Kommentar zur Heiligsprechung nicht entsprechen. "Der Erzbischof gibt im Augenblick keine Stellungnahmen ab", teilte sein Pressesprecher Powell Russell per E-Mail mit.

Die Zurückhaltung ist verständlich. Mit der Heiligsprechung MacKillops beherrscht die katholische Kirche zum zweiten Mal nach dem Weltjugendtag 2008 in Sydney die nationalen und internationalen Schlagzeilen. Nur zu bewusst ist den Anglikanern, dass die einstige katholische Minderheit längst die größte christliche Einzelkonfession Australiens ist und die Anglikaner auf den zweiten Platz verdrängt haben. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass alle protestantischen Kirchen zusammen zahlenmäßig noch immer die Mehrheit bilden.

Nur noch zwei Drittel Christen

Viele Australier sind allerdings nur noch dem Namen Kirchenmitglieder. 18,7 Prozent der damals etwa 20 Millionen Australier machten bei der Volkszählung 2006 bei "keine Religion" ihr Kreuz. Das waren drei Prozent mehr als bei der letzten Volksbefragung im Jahr 2001. Der Anteil der Australier, die sich zum Christentum bekennen, war allerdings um satte sieben Prozent auf 64 Prozent gefallen. Der größte Einzelverlierer ist nach Angaben der Statistiker die anglikanische Kirche, die zwei Prozent ihrer Anhänger eingebüßt hat. Bei der katholischen Kirche fiel der Mitgliederschwund mit 0,8 Prozent vergleichsweise bescheiden aus.

Gleichzeitig aber haben Forscher wie der Soziologe Gary Bouma von der Monash Universität in Melbourne einen drang der Australier zu Religion ausgemacht. "Tatsächlich sind Religionen in Australien im Wachstum begriffen und werden immer populärer", fasst Bouma das Phänomen in seinem Buch "Die australische Seele: Religion und Spiritualität im 21. Jahrhundert" zusammen. Davon profitieren aber nicht die Mainstreamkirchen, die von den Menschen zunehmend als realitätsfremd wahrgenommen werden.

Deutlicher Zuwachs für Evangelikale

Zudem haben in Australien sowohl die katholische als auch die anglikanische Kirche durch Missbrauchsskandale an Ansehen eingebüßt. Großen Zulauf verzeichnen laut Bouma vielmehr evangelikale Kirchen nach US-amerikanischem Muster. Aber auch andere Religionen wie der Buddhismus, der Islam und der Hinduismus hätten enorme Steigerungsraten zu verzeichnen, ebenso wie Scientologen, Naturreligionen, Hexenkulte und das Heidentum.

Die katholische Kirche sieht es als bewiesen an, dass Mary MacKillop die zwei für eine Heiligsprechung notwendigen Wunder vollbracht hat. Ob die vor 101 Jahren verstorbene Nonnen aber nach dem Hype über ihre Heiligsprechung das Wunder zuwege bringen kann, die Kirchen zwischen Perth und Brisbane, Darwin und Adelaide auch nicht nur zu Weihnachten und Ostern zu füllen, bleibt abzuwarten. Vielleicht bei einem Fläschchen MacKillop-Wein aus der von Jesuiten gegründeten Seven Hill Winzerei im südaustralischen Clare Valley. Im Angebot sind ein "2010 Sainthood Sauvignon Blanc-Semillon" und für die Rotweinliebhaber der "2009 Sainthood Shiraz". Na, denn ein Prosit auf Mary.