Deutschland im Sicherheitsrat: Nicht-ständig ist anständig
Deutschland sitzt wieder im UN-Sicherheitsrat und nimmt damit Platz am wichtigsten Tisch der internationalen Diplomatie. In der Abstimmung in der Generalversammlung hat es sich gegen Kanada und Portugal (das anschließend in einer Stichwahl den zweiten Sitz der westlichen Staatengruppe zugesprochen bekam) durchgesetzt und gehört dem Gremium nun 2011 und 2012 als nicht-ständiges Mitglied an. Zuletzt hatte Deutschland 2003/2004 einen Sitz im Sicherheitsrat.

In den vergangenen Jahren haben die Bundeskanzlerin, der Außenminister und deutsche Diplomaten auf der internationalen Bühne intensiv Wahlkampf betrieben und hinter den Kulissen um Stimmen geworben. Deutschland galt vor der Wahl als Favorit; ein Scheitern wäre einer Blamage gleich gekommen. Merkel und Westerwelle feiern das Ergebnis nun als "großen diplomatischen Erfolg für die deutsche Außenpolitik" und betrachten die Wahl als "Ehre und Verpflichtung." Aber: Ist der Sitz für Deutschland wirklich so wichtig, dass man nun sogar erstmals gegen einen europäischen Partner antreten musste?

Die Bedeutung des Sicherheitsrats ergibt sich sowohl aus seinem Aufgabenspektrum als auch aus der völkerrechtlich bindenden Qualität seiner Beschlüsse (Resolutionen). Ihm gehören fünf ständige Mitglieder an – China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA – sowie zehn nicht-ständige Mitglieder, die jeweils für zwei Jahre gewählt werden. Resolutionen bedürfen der Zustimmung von mindestens neun der 15 Mitglieder und sind bindend für die Staatengemeinschaft. Die ständigen Mitglieder verfügen über ein Veto und können damit Entscheidungen des Rates blockieren.

Die Verantwortung für den Weltfrieden

Dem Gremium obliegt laut Artikel 24 der UN-Charta die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Stellt der Rat eine Gefährdung des Weltfriedens oder der internationalen Sicherheit fest, kann er auf verschiedene Instrumente zurückgreifen, um die Gefahr abzuwenden bzw. den Frieden wiederherzustellen. Er kann internationale Sanktionen verhängen, Blauhelm-Friedenseinsätze und schließlich sogar die Anwendung militärischer Gewalt mandatieren. Die Mitgliedschaft in dem Gremium bedeutet also, Verantwortung für Frieden und Sicherheit zu übernehmen.

Deutschland hat zwar den Anspruch, vor allem seit der Wiedervereinigung, internationale Politik aktiv mitzugestalten. Als Selbstzweck oder reine Prestigefrage sollte ein Mandat in dem Gremium jedoch nicht angestrebt werden. Deshalb ist es richtig, dass das Auswärtige Amt eine Agenda vorgestellt hat, die Deutschland im Sicherheitsrat umsetzen möchte und an der es sich jetzt messen lassen muss. Dazu zählen

  • der nachdrückliche Einsatz für die Überwindung globaler Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und Nahrungsmittelkrise,
  • das Eintreten für wirtschaftliche und soziale Gleichberechtigung, um die Welt gerechter und damit sicherer zu machen,
  • das Versprechen, die Arbeit des Sicherheitsrats transparenter und offener zu gestalten und
  • das Bemühen, das schwierige Thema Abrüstung weiter voran zu bringen.

Deutschland ist international durchaus geschätzt

Deutschlands UN-Politik spricht durchaus für einen Sitz im Sicherheitsrat: Die Bundesrepublik ist nach den USA und Japan der drittgrößte Beitragszahler zum regulären UN-Haushalt, beteiligt sich aktiv und in großem Umfang an multinationalen Friedensmissionen mit Blauhelmsoldaten, Polizisten, Zivilpersonal, Ausrüstung und finanziellen Beiträgen. Sie wird international für ihre Zuverlässigkeit und völkerrechtsfreundliche Politik geschätzt. Deutschland ist zudem der zweitgrößte Geber in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit.

Es war zwar unschön, dass die Bundesrepublik 2006 – und damit fünf beziehungsweise sechs Jahre nachdem Kanada und Portugal ihre Kandidatur bekanntgegeben haben – ihren Hut in den Ring geworfen hat und damit offen gegen einen europäischen Partner antrat. Der engagierte und im internationalen Vergleich überdurchschnittliche Multilateralismus Deutschlands qualifiziert jedoch grundsätzlich zu einer angemessenen und maßgeblichen Mitsprache an den Entscheidungsfindungs- und Beschlussfassungsprozessen im System der Vereinten Nationen – als nicht-ständiges Mitglied im Sicherheitsrat.

Europa ist ständig überrepräsentiert

Anders ist das seit Mitte der 1990er Jahre bestehende und unter der rot-grünen Bundesregierung intensivierte Streben nach einem ständigen Sitz für Deutschland im Rahmen einer umfassenden UN-Reform zu beurteilen. Zwar argumentiert nun auch die schwarz-gelbe Regierung zu Recht, dass eine Reform des Sicherheitsrats längst überfällig ist – dieser repräsentiert nach wie vor die weltpolitische Architektur der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg – allerdings würde ein ständiger deutscher Sitz die Überrepräsentation der europäischen Staaten nur verstärken: Schon jetzt haben die Europäer mit Frankreich, Großbritannien und (zählt man es dazu) Russland drei von fünf Sitzen inne, obwohl sie nicht einmal zehn Prozent der Weltbevölkerung auf sich vereinigen. Afrika und Lateinamerika sind unter den ständigen Mitgliedern gar nicht vertreten und auch Asien ist angesichts seiner Bevölkerungsentwicklung mit dem einen Sitz für China unterrepräsentiert.

Die deutsche Diplomatie täte gut daran, anstatt auf einen eigenen ständigen Sitz zu drängen, für eine Reform des Rates nach Effektivitäts- und Repräsentationskriterien einzutreten und sich in Absprache mit den europäischen Partnern weiterhin periodisch als nicht-ständiges Mitglied wählen zu lassen.


Marco Fey ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) im Programmbereich I: Sicherheits- und Weltordnungspolitik von Staaten.