Studie: Rechtsextreme Einstellungen nehmen zu
Rechtsextreme Einstellungen in der deutschen Bevölkerung nehmen einer Studie zufolge in allen sozialen Schichten wieder zu. Nach einem leichten Rückgang in den Vorjahren bei ausländerfeindlichen, antisemitischen, chauvinistischen und antidemokratischen Meinungen müsse für 2010 eine "dramatische Trendwende" konstatiert werden, heißt es in der am Mittwoch in Berlin vorgestellten Studie der Universität Leipzig. Die Forscher sehen dabei einen Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise.

Die Studie mit dem Titel "Die Mitte in der Krise" war von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegeben worden. Werde das Wohlstandsversprechen der Ökonomie nicht eingelöst, drohe das demokratische Fundament zu wackeln, warnten die Leiter der Studie, Elmar Brähler und Oliver Decker. Sie befragen seit 2002 regelmäßig Menschen zu rechtsextremen Einstellungen.

Als "Alarmsignal" bezeichnen die Forscher den hohen Anteil der Menschen, die 2010 unzufrieden mit dem Zustand der Demokratie in Deutschland sind oder sich sozial ausgeschlossen fühlen. So hätten mehr als 90 Prozent der 2.411 Befragten im Alter von 14 bis 90 Jahren angegeben, keinen Sinn darin zu sehen, sich politisch zu engagieren. Die Demokratie könne von den Bürgern nicht mit Leben gefüllt werden, so die Sozialwissenschaftler.

[listbox:title=Die Studie im Wortlaut["Die Mitte in der Krise" (PDF)]]

Ein gesellschaftspolitischer Handlungsbedarf werde auch durch eine hohe Zustimmung zu islamfeindlichen Aussagen deutlich. So stimmten in diesem Jahr 55,4 Prozent der Deutschen der Aussage zu, dass es gut zu verstehen sei, wenn "manchen Leuten Araber unangenehm sind". 2003 lag die Zustimmung bei 44,2 Prozent. 58,4 Prozent forderten sogar Einschränkungen für Muslime in der Religionsausübung.

Rechte Einstellungen gibt es überall

Brähler und Decker betonten, dass rechtsextreme Einstellungen in allen gesellschaftlichen Gruppen und damit auch bei Wählern demokratischer Parteien, Kirchen- und Gewerkschaftsmitgliedern anzutreffen seien. Bei den Anhängern christlicher Kirchen ist nach den Ergebnissen die Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen sogar höher als bei Menschen, die sich keiner Religionsgemeinschaft zugehörig fühlen. So stimmten beispielsweise 25,8 Prozent der befragten evangelischen Christen ausländerfeindlichen Sätzen zu (Katholiken: 24,8; ohne Religion: 22,9 Prozent).

Gefragt nach der Parteienpräferenz zeige sich, dass rechtsextreme Einstellungen nicht nur bei den potenziellen Wählern der entsprechenden Parteien zu finden sind. Nach den Ergebnissen der Studie haben etwa neun Prozent der Nichtwähler ausländerfeindliche Einstellungen. Auch unter Anhängern der Volksparteien CDU/CSU (4,4 Prozent) und SPD (2,1 Prozent) sowie der Linkspartei (2,9 Prozent) sind solche Meinungen anzutreffen. Bei den Wählern von Grünen und FDP befürworte jeweils ein Prozent rechtsextreme Einstellungen.

Rechtes Denken ist auch eine Bildungsfrage

Die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen seien indes kleiner geworden, hieß es weiter. Allerdings gebe es in den neuen Bundesländern eine höhere Zustimmung zu ausländerfeindlichen, sozialdarwinistischen und demokratiefeindlichen Aussagen. Im Westen sei die Befürwortung zu antisemitischen und den Nationalsozialismus verharmlosenden Aussagen höher.

Wesentliche Unterschiede hinsichtlich rechtsextremer Einstellungen zeigten sich laut Studie beim Bildungsgrad und Alter der Befragten. Die Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen sei bei Menschen ohne Abitur nahezu doppelt so hoch wie bei Befragten mit Abitur. Unter den Geschlechtern seien indes kaum noch Unterschiede auszumachen.

epd