Pflege-Arbeitgeber: Ohne Zuwanderung droht Desaster
Die Pflegebranche verfolgt die Debatte über mögliche Einschränkungen bei der Zuwanderung mit Sorge. In den nächsten Jahren müssen hunderttausende Stellen zusätzlich besetzt werden. Derzeit weiß niemand, woher die Fachkräfte kommen sollen.
13.10.2010
Das Gespräch führte Rolf Westermann

Ohne Zuwanderung ist nach Einschätzung des Arbeitgeberverbandes Pflege die Betreuung alter Menschen in Deutschland massiv gefährdet. In den nächsten zehn Jahren müssten rund 300.000 Fach- und Hilfskräfte zusätzlich eingestellt werden, sagte der stellvertretende Verbandsvorsitzende, Friedhelm Fiedler, der Nachrichtenagentur dpa. "Mit der Umschulung von Arbeitslosen und eigener Ausbildung ist der gigantische Bedarf nicht zu decken. Wir brauchen dringend eine gesteuerte Zuwanderung aus EU-Ländern und auch darüber hinaus."

"Wir steuern auf ein Desaster zu"

Die Zahl der Pflegebedürftigen wird sich nach Verbandsangaben von derzeit rund 2,3 Millionen bis zum Jahr 2050 mehr als verdoppeln. "Wir steuern auf ein Desaster zu. Die Politik wird es sich nicht leisten können, dafür verantwortlich zu sein", meinte Fiedler. Der Verband vertritt die Interessen privater Pflegeunternehmen mit rund 200.000 Beschäftigten. Bundesweit gibt es in der Branche fast 900.000 Mitarbeiter.

Fiedler verwies auf den harten internationalen Wettbewerb um Pflegekräfte. So würden Skandinavien, Großbritannien und die Schweiz viele ausländische Fachleute anwerben. "Dagegen werden in Deutschland oft auch qualifizierte Pfleger aus dem Ausland nicht zugelassen und in jedem Bundesland werden Abschlüsse nach anderen Kriterien anerkannt." Deshalb fordern die Arbeitgeber eine bundeseinheitliche Zulassungsstelle. Die Ausbildung sei in vielen Ländern gut, insbesondere in Polen, Spanien, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Rumänien. "Was die Pflege angeht, ist Deutschland absolut überbürokratisiert. Andere Länder sind viel weiter als wir. Die Politik muss aufpassen, dass sie den Anschluss nicht verpasst."

"Deutschland braucht Zuwanderung"

Außerhalb Europas kämen laut Arbeitgeberverband die Philippinen und Indonesien als Anwerberegionen in Frage. Dafür sei eine Green-Card-Regelung ohne Mindestverdienst nötig. "Denn bei einer Grenze von über 60.000 Euro Mindesteinkommen würden alle Pflegekräfte rausfallen." Die Äußerung von CSU-Chef Horst Seehofer ("Keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen") sei aus Sicht der Pflege nicht nachvollziehbar. "Deutschland braucht Zuwanderung." Der Verband betonte, dass schon 1970 in Deutschland 8.000 koreanische und philippinische Krankenschwestern gearbeitet hätten, um Versorgungslücken zu vermeiden. "Deutschland ist bei der Pflege schon lange ein Einwanderungsland", meinte Fiedler. "Wir haben immer davon profitiert."

dpa