Ein ganz besonderer Tropfen: Messwein aus Franken
Eine eigene Stiftung unter den Fittichen des Würzburger Juliusspitals stellt Wein für Gottesdienste her - seit fast 100 Jahren. Die fränkische Spezialität ist obendrein "gut und erschwinglich".
11.10.2010
Von Daniel Staffen-Quandt

Die Natur hat es in diesem Jahr nicht so gut gemeint mit den fränkischen Winzern. "Das sieht man auch als Laie, wenn man durch die Weinberge läuft", sagt Peter Rudloff, Weinbergsmeister beim renommierten Würzburger Weingut Juliusspital. Die knorrigen Weinstöcke am Steilhang sind voll mit reifen Weinbeeren, aber kaum eine Traube besteht nur aus goldgelben Früchten. Es war zu nass und kalt. Viel Braunes sieht man, dazwischen auch immer wieder Schimmel. Trotzdem: Die Beeren müssen runter vom Rebstock. Und das ist ein Knochenjob.

Der Himmel ist trüb, Hochnebel hängt über dem Würzburger Mainkessel. Aber wenigstens regnet es nicht. Ein paar Dutzend Erntehelfer mühen sich die schmalen Gänge zwischen den Rebzeilen bergauf und wieder bergab. Ein mühsames Geschäft, das auf den Rücken, auf die Schultern, den Nacken, auf die Oberarme geht. Marlene Betz macht die Arbeit trotzdem Spaß. Seit 1992 schon steht die heute 60-Jährige bei jeder Ernte mit im Berg: "Damals wollte eine Bekannte, dass ich sie begleite. Sie hatte schnell die Nase voll, ich aber bin geblieben."

Exklusive Verwendung

Die Weinlese ist in diesem Jahr noch ein bisschen anstrengender als sonst. Denn die Beeren werden selektiert, die Weinberge zwei Mal abgeerntet. Zuerst werden nur die ganz gesunden Trauben abgeknipst, beim zweiten Durchgang kommen dann auch diejenigen mit der so genannten Edelfäule in die bunten Plastikwannen, die die Lesehelfer vor sich her wuchten. Marlene Betz nimmt behutsam eine Rebe in die Hand, mit ihrer Schere knipst sie blitzschnell die gesunden Beeren ab und lässt sie in die Wanne fallen: "Die anderen bleiben erst mal dran."

Dass die 60-Jährige mit ihren Kolleginnen und Kollegen heute in einem besonderen Weinberg steht, weiß sie gar nicht. Den Weintrauben sieht man es auch nicht an, dass sie später einmal Messwein werden sollen. Das Würzburger Juliusspital verwaltet und bewirtschaftet seit vielen Jahrzehnten die 3,4 Hektar großen Weinberge der im Jahr 1918 gegründeten "Ignaz Kolb'schen Messweinstiftung". Alle Trauben dieser beiden Weinberge in den Lagen Pfaffenberg und Abtsleite dürfen ausschließlich zu Messwein ausgebaut werden.

Ziel des Würzburger Weinhändler-Ehepaares Kolb sei damals gewesen, dass "jedem katholischen Pfarrer auf Verlangen, ein den kirchlichen Vorschriften völlig entsprechender, also durchaus naturreiner Wein (Messwein) zur Verfügung gestellt" werden kann, heißt es in der Stiftungsurkunde. Das war damals auch durchaus geboten, denn früher durften Winzer und Kellermeister noch ziemlich panschen. "Da landeten auch mal Gewürze oder Honig im Wein, um nicht so gute Jahrgänge aufzuhübschen", sagt Juliusspital-Vertriebsleiterin Kordula Geier.

"Gut und erschwinglich"

Das galt übrigens noch bis ins Jahr 1971, bis mit dem neuen Weingesetz verschiedene Güteklassen eingeführt wurden. "Die Messweinverordnung war sozusagen der Vorreiter für die Prädikatsweine, wenn man so will auch für die Biobewegung im Weinbau", sagt Geier. 1918, als die Messweinstiftung gegründet wurde, war Messwein eine ausschließlich katholische Angelegenheit. Inzwischen bestellen auch immer mehr evangelische Gemeinden und Privatleute den Messwein. "Er ist gut und erschwinglich", erklärt Geier. Auch das wollten die Kolbs so.

In guten Jahren holen Kellermeister Benedikt Then und sein Team bis zu 20.000 Literflaschen aus den Bergen der Messweinstiftung. 2010 werden es bedeutend weniger sein. Da der Kolb'sche Silvaner und Müller-Thurgau ohnehin jedes Jahr ausverkauft werden, wird der 2010er höchstens bis zum Herbst kommenden Jahres reichen. Then selbst trinkt auch gerne mal Messwein. "Der hat Restsüße, das macht ihn morgens früh im Gottesdienst bekömmlicher", erklärt Then, der offiziell vom Würzburger Bischof vereidigter Messweinkellermeister ist.

Marlene Betz steht immer noch im Weinberg oberhalb von Würzburg, sie knipst und knipst, die Beeren fallen in die Plastikwanne. Montag bis Samstag, täglich von 7.15 Uhr bis es wieder dunkel wird, mindestens vier Wochen lang, bis alles abgeerntet ist. Dass der 2010er Weinjahrgang wohl kein herausragender wird, ist der Hausfrau ziemlich schnuppe. "Ich hab's selbst gar nicht so mit dem Wein", sagt sie, ein verlegenes Schmunzeln huscht über ihr Gesicht. Nur, wenn die Trauben schöner gewesen wären, "hätte ich sicher ein paar genascht". 

epd