TV-Tipp des Tages: "Tatort: Spargelzeit"
In der ARD ist heute "Spargelzeit", so jedenfalls der Titel des "Tatorts" aus Münster. Der ist zwar mal wieder mehr Komödie als Krimi, aber höchst unterhaltsam.
08.10.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Tatort: Spargelzeit", Sonntag, 10. Oktober, 20.15 Uhr im Ersten

Zusammenhänge zwischen dem Spargel und seinem Einfluss auf die männliche Potenz haben vermutlich allein optische Gründe, und eigentlich gehören entsprechende Anzüglichkeiten eher auf die Bühne des Boulevardtheaters als in einen "Tatort". Werden die Scherze allerdings so unnachahmlich verpackt wie von Jan Josef Liefers, können sie das reinste Vergnügen sein. Ohnehin treibt das Drehbuch von Peter Zingler und Jürgen Werner hier auf die Spitze, was sowieso größtenteils die Qualität der Krimis aus Münster ausmacht: Kommissar Thiel (Axel Prahl) ist noch mehr Misanthrop als sonst, Rechtsmediziner Boerne (Liefers) läuft angesichts des allgegenwärtigen Spargels zu Hochform auf. Je ausgiebiger er Thiel brüskiert und über das Gewächs doziert, desto missmutiger wird sein Kontrahent. Obwohl die beiden ja eigentlich an einem Strang ziehen sollten, muss Boerne diesmal eigenmächtig ermitteln, weil Thiel aus lauter Kompetenzgerangel naheliegende Verdachtsmomente übersieht.

Die Dialoge sind wunderbar gelungen, die Geschichte ist weniger überraschend. Zumindest ahnt man recht früh, dass es sich um zwei Täter handeln muss: Im leeren Schwimmbecken des Spargelbauern Pütz (Jörg Hartmann, zurzeit auch als böser Bruder in "Weissensee" zu sehen) wird die Leiche seiner toten Frau entdeckt. Im Nu verheddert sich Thiel in einem Netz aus Affären und Intrigen: Der Landwirt beschäftigt untereinander verfeindete Spargelstecher aus Polen und Rumänien. Da seine Gattin mit einem Spargelmesser erstochen wurde, fällt der Verdacht auf die Arbeiter. Einer von ihnen hatte ein Verhältnis mit der Frau, weshalb der "Spargelkönig" prompt ebenfalls in Thiels Visier gerät. Durch Zufall stellt Boerne fest, dass sich auf der Leiche auch Spuren von DNA befinden, die schon vor zwei Jahren gesichert wurden. Damals ist die mittlerweile 15 Jahre alte Tochter (sehr gut geführt: Matilda Merkel) des Ehepaars auf dem Heimweg vergewaltigt worden; seither ist es auch mit der Ehe ihrer Eltern bergab gegangen.

Gegeneinander von Vater und Sohn

Versierte Krimi-Fans werden weitaus eher als Thiel und Boerne ahnen, wer der Vergewaltiger war, und die Auflösung des Falls wirkt auch nicht restlos überzeugend. Streng genommen dürfte der Polizist ohnehin nicht ermitteln, da gleich zu Beginn sein Vater unter dringendem Tatverdacht festgenommen wird: Er hat sich beim nächtlichen Spargeldiebstahl erwischen lassen. Gerade Thiel senior (Claus D. Clausnitzer) sorgt aber gemeinsam mit Liefers immer wieder für die komischen Zwischenspiele, zumal das Drehbuch auch das ewige Gegeneinander von Vater und Sohn weidlich ausnutzt.

Manfred Stelzer hat zwar regelmäßig auch ausgezeichnete Krimis gedreht, aber seine besten Werke waren Komödien (etwa die "Pommery"-Reihe fürs ZDF). Er ist daher genau der richtige Regisseur für diese Geschichte, zumal er schon einige der unterhaltsamsten "Tatort"-Beiträge aus Münster inszeniert hat ("Krumme Hunde", "Der doppelte Lott").


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).