Klare Mehrheit gegen Wulffs Islam-Äußerungen
"Der Islam gehört zu Deutschland": Bundespräsident Christian Wulff hat mit seiner Rede zum Tag der deutschen Einheit eine heftige Diskussion ausgelöst. Nach einer Umfrage lehnen zwei Drittel der Bundesbürger die Haltung des Staatsoberhaupts ab. Der frühere EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber rief dazu auf, über die Gestalt des Islam in Deutschland zu diskutieren.

Nach einer am Dienstag veröffentlichte Umfrage im Auftrag der "Bild"-Zeitung erklärten 66 Prozent der Befragten, sie stimmten den Äußerungen Wulffs nicht zu. Unterstützung fand der Bundespräsident bei 24 Prozent der Befragten, neun Prozent hatten keine Meinung. Befragt wurden 1.008 Bundesbürger.

Wulff hatte sich in einer Rede zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit am Sonntag in Bremen als Präsident aller Menschen bezeichnet, die in Deutschland leben. Dabei bezog er ausdrücklich die Muslime ein. Zudem stellte der Bundespräsident den Islam in eine Reihe mit Christentum und Judentum. "Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland", sagte Wulff.

Islamwissenschaftler rügt "Wunschdenken"

Der Saarbrücker Islamwissenschaftler Gerd-Rüdiger Puin warf dem Bundespräsidenten "Wunschdenken" vor. Die Debatte sei weltfremd, weil es keine kritische Haltung gegenüber dem Islam in Deutschland gebe, sagte er der "Saarbrücker Zeitung" (Dienstag). Laut Puin wehrt sich der Islam "programmatisch gegen die Trennung von Staat und Religion". Dies führe dazu, "dass uns Vertreter muslimischer Verbände pausenlos Dinge sagen müssen, die wir gerne von ihnen hören". Sie forderten nur so lange nicht die Einhaltung der Scharia, "bis Deutschland muslimisch ist". Puin appellierte an die Verbände, sich von jenem Islam zu verabschieden, der das islamische Recht über das weltliche Gesetz stellt: "Dann ist der Islam ein Teil Deutschlands."

Altbischof Huber sagte im Deutschlandradio Kultur, Wulffs Feststellung, der Islam gehöre zu Deutschland, müsse als Aufgabenbeschreibung verstanden werden. Dann könne die Diskussion über die Frage, welche Gestalt der Islam haben soll, auch als gutes Gegenmittel gegen Rechtspopulismus wirken. Wenn die Worte des Bundespräsidenten die notwendige Debatte beförderten, dann hätten sie einen guten Dienst geleistet, sagte der Theologe. Er warnte davor, die Bremer Rede als "Beruhigungspille" falsch zu verstehen.

Huber sagte weiter, man sollte auch dafür werben, dass sich Menschen in Deutschland offen und unverhüllt zeigten. "Ich meine jetzt nicht eine Debatte über ein gesetzliches Verbot, sondern ich meine damit, dass wir offenen Gesichts miteinander umgehen", sagte der frühere Berliner Bischof zur Debatte über ein Kopftuchverbot. Dies könne nicht über Gesetze geregelt werden, sondern viel wichtiger sei eine gesellschaftliche Debatte. Huber plädierte zugleich dafür, dass sich Frauen im öffentlichen Dienst, beispielsweise Lehrerinnen, beim Tragen von Kopftüchern zurückhalten sollten.

"Christlich-abendländische Leitkultur"

Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, betonte unterdessen, der Islam sei nicht Teil der deutschen Kultur. "Diese Interpretation des Bundespräsidenten teile ich nicht", sagte er am Dienstag in Berlin. Die christlich-abendländische Kultur mit jüdischen Wurzeln sei die Leitkultur, in die sich alle zu integrieren hätten, die in Deutschland leben wollten.

Wulff habe bei seiner Rede wichtige Themen angesprochen, über die jetzt diskutiert werden müsse, so Friedrich. "Gute Reden zeichnen sich dadurch aus, dass sie die richtigen Fragen stellen." Zunächst müssten dabei die Fakten zur Kenntnis genommen werden. So gebe es Millionen von Muslimen in Deutschland, die auch hier bleiben wollten. Bei aller Toleranz müsse aber auch anerkannt werden, "dass es objektive Grenzen der Integrationsfähigkeit gibt". Als Beispiel nannte der CSU-Politiker etwa Schulklassen, in denen es keine deutschstämmigen Kinder mehr gebe.

epd