"Tod einer Schülerin" , Montag, 4. Oktober, 20.15 Uhr im ZDF
Es gibt hierzulande ohnehin nicht viele Schauspieler, die das Format von Matthias Brandt haben. Aber wenn es darum geht, eine unergründliche Figur zu verkörpern, ist er unerreicht. Die Rolle des Lehrers, der in Verdacht gerät, eine Schülerin ermordet zu haben, ist daher wie geschaffen für ihn. Der Balance-Akt gelingt Brandt perfekt: Alles spricht dafür, dass Alex Berger nach einem Grillfest erst Sex mit der hübschen Katja hatte und sie dann erschlagen hat; und trotzdem schafft Brandt es, dass man sich wünscht, der Lehrer sei unschuldig.
"Tod einer Schülerin" ist trotzdem kein Krimi, selbst wenn die Suche nach dem Mörder im Vordergrund steht: Die Kamera (Peter Przybylski) begleitet nicht das Ermittler-Duo (Lavinia Wilson und Peter Lerchbaumer), sondern bleibt stur bei Berger, den sie immer wieder umkreist und geduldig beobachtet. Quasi hautnah wird man daher Zeuge, wie sich die Schlinge um seinen Hals immer mehr zuzieht. Da der Lehrer kein Kondom benutzt hat, wehrt er sich mit Händen und Füßen gegen einen Massen-Gentest.
In der Vorlage von Autor Ulrich Woelk stand dieser Aspekt im Vordergrund. In der Bearbeitung durch Silke Zertz ("Wir sind das Volk") hat sich der Schwerpunkt viel stärker Richtung Ehe- und Familiendrama verschoben, denn natürlich ist Bergers Geständnis, eine Affäre mit dem Mädchen gehabt zu haben, eine ungeheure Belastung für die Beziehung. Da er seiner Frau (Corinna Harfouch) zudem nur die halbe Wahrheit erzählt, fragt sie sich prompt, ob der Rest nicht auch gelogen ist, zumal der Gatte bei der kleinsten Gelegenheit ausrastet.
Die Diskussion jener Gründe, die gegen die massenhafte Sammlung von Speichelproben sprechen, wird auch deshalb zweitrangig, weil Berger natürlich aus einer befangenen Position heraus argumentiert: Mit Hilfe des Gentests wäre die Polizei prompt auf seiner Spur; die erotischen gefärbten Videobotschaften des Mädchens (verführerisch verkörpert von "Schneewittchen" Laura Berlin) sind ohnehin schon Belastung genug.
Die Spannung des von Mark Schlichter sehr gelassen inszenierten Films resultiert daher aus einer einfachen Frage: War er's oder war er’s nicht? Die Geschichte ist zudem doppelt reizvoll, denn da kaum jemand so sphinxhaft dreinschauen kann wie Matthias Brandt, bleibt tatsächlich bis zum überraschenden Schluss offen, ob "Tod einer Schülerin" das Psychogramm eine Mörders oder die Tragödie eines zu Unrecht Verdächtigen ist.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).