Nach teils kontroversen Diskussionen haben Hollands Christdemokraten die Weichen für eine Zusammenarbeit mit dem Rechtspopulisten Geert Wilders gestellt. Eine Mehrheit von 68 Prozent der fast 5.000 Delegierten eines Sonderparteitages in Arnheim segnete am Samstag einen vom Christdemokratischen Appell (CDA) sowie der rechtsliberalen VVD mit der islamfeindlichen Freiheitspartei (PVV) ausgehandelten Duldungsvertrag ab. Zeitgleich wetterte Wilders in Berlin gegen den Islam. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warf er vor, einer Islamisierung Deutschlands tatenlos zuzusehen.
Der CDA-Kongress machte den Weg frei zur Bildung einer Minderheitsregierung aus VVD und CDA, der Wilders im Parlament für ausgewählte politische Vorhaben die Mehrheit sichert. "Ich danke für Euer Vertrauen", sagte der CDA-Fraktionsvorsitzende und designierte Vizeministerpräsident Maxime Verhagen. Mit der Bildung der Regierung in Den Haag wird bis Mitte Oktober gerechnet. Ministerpräsident soll VVD-Chef Mark Rutte (43) werden. Seine Partei war bei den Wahlen am 9. Juni mit 31 Mandaten knapp stärkste Kraft geworden.
Die noch erforderliche Zustimmung der CDA-Parlamentsfraktion gilt nun als sicher. Wilders' Freiheitspartei, die bei den Wahlen drittstärkste Kraft wurde, ist nicht direkt an dem Kabinett beteiligt. Sie bekommt jedoch erheblichen Einfluss auf die Regierungspolitik. Zusammen haben die drei Parteien 76 Abgeordnete und damit im 150-Sitze-Parlament nur eine Mehrheit von einer Stimme.
Einwanderung um 50 Prozent "zurückdrängen"
Laut Duldungsabkommen soll die Einwanderung von Menschen aus islamischen und anderen nichtwestlichen Ländern in den nächsten Jahren um 50 Prozent zurückgedrängt werden. Akzeptierte Ausländer sollen Integrationskurse künftig selbst bezahlen und bei Nichtteilnahme ausgewiesen werden können.
Gegen den Pakt mit Wilders hatten sich prominente CDA-Mitglieder ausgesprochen. Der 95-jährige frühere Ministerpräsident (1967-71) Piet de Jong warnte, die PVV verletze mit Hetze gegen den Islam das Grundrecht der Religionsfreiheit: "Dass ich auf meine alten Tage noch miterleben muss, wie Hand angelegt wird an die Religionsfreiheit, das darf doch nicht sein." Der amtierende Justizminister Ernst Hirsch Ballin appellierte an die Delegierten: "Tut das den Menschen nicht an, tut das unseren Partei nicht an, tut das unserem Land nicht an."
Befürworter des Duldungsmodells wiesen darauf hin, dass Wilders' PVV am 9. Juni von 1,5 Millionen Niederländern gewählt wurde. Der CDA hingegen sei von 41 auf 21 Mandate abgesackt, weil viele Wähler zu Wilders abgewandert seien. Die Christdemokraten dürften dessen Anhänger nicht ignorieren, sondern müssten "Brücken bauen", forderte der amtierende Sozialminister Piet Hein Donner. Der CDA werde in der Regierung garantieren, dass die Rechte aller Menschen in den Niederlanden respektiert werden, einschließlich der Muslime, versprach Verhagen.
Wilders sieht Deutschland bedroht durch die "Ideologie" Islam
Wilders' Auftritt in einem Berliner Hotel vor rund 500 zahlenden Anhängern wurde von Protesten begleitet. Etwa 80 Demonstranten stimmten Sprechchöre wie "Nazis raus!" an. Eingeladen hatte der frühere Berliner CDU-Politiker René Stadtkewitz, der die Gründung einer neuen Partei mit dem Namen Die Freiheit angekündigt hat.
In seiner Rede erklärte Wilders, Deutschlands nationale Identität, seine Demokratie und Prosperität seien bedroht durch den Islam, der keine Religion, sondern eine Ideologie sei. "Ein Deutschland voller Moscheen und voller verschleierter Frauen ist nicht mehr das Deutschland Schillers und Heines, Bachs und Mendelssohns."
Bundeskanzlerin Merkel akzeptiere die Islamisierung Deutschlands, behauptete Wilders. Zugleich lobte er Thilo Sarrazin (SPD), dessen Thesen zur mangelnden Integrationsbereitschaft muslimischer Zuwanderer eine heftige Debatte ausgelöst hatten. Mit abfälligen Bemerkungen über Muslime oder den Propheten Mohammed hielt er sich allerdings zurück.
Am Montag beginnt in Amsterdam das Hauptverfahren in einem Prozess gegen Wilders wegen des Verdachts der Aufstachelung zum Hass gegen Muslime und der Beleidigung von Anhängern des Islams.