Parallel erinnerten im Berliner Abgeordnetenhaus Parlament und Senat an die Wiedervereinigung der Stadt. Für Bundespräsident Christian Wulff sind 20 Jahre Deutsche Einheit "Anlass zum Feiern, aber auch zum Innehalten".
An der Weser werden an diesem Wochenende Hundertausende Menschen erwartet. Bereits am Freitagabend feierten 4.500 Menschen bei einem Konzert auf dem Marktplatz. Am Samstagvormittag war das Stadtbild zunächst jedoch weniger von Besucherströmen als vielmehr von einem großen Polizeiaufgebot geprägt. Einheitsgegner hatten für den Nachmittag zu einer Demonstration durch die Innenstadt aufgerufen. In der Hansestadt gibt es an diesem Wochenende eine Vielzahl von Konzerten, bunten Paraden und eine Meile, auf der sich alle Bundesländer, der Bundestag und der Bundesrat präsentieren.
Zum Festakt am Sonntag in der Bremen Arena werden Bundespräsident Christian Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet. Wulff will hier seine erste programmatische Rede halten. Bremen ist Gastgeber der Jubiläumsfeiern, weil es zurzeit den Vorsitz im Bundesrat hat.
Gauck: Mehr Anstrengung für Integration und Schwache
An der Feierstunde im Berliner Abgeordnetenhaus nahmen Botschafter und Gesandte der USA, Frankreichs, Großbritanniens und Russlands teil. Festredner war einer der führenden Persönlichkeiten des Widerstands gegen die DDR-Diktatur, Joachim Gauck. Der frühere Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten forderte mehr Anstrengungen zur Integration von Migranten und sozial Schwachen. Die "Abgehängten unserer Gesellschaft" müssten die Eigenverantwortung wieder erlangen, sagte der frühere DDR- Bürgerrechtler in seiner Rede.
Das bedeute auch, "in den Problemzonen der Abgehängten Forderungen zu stellen". "Es schwächt die Schwachen, wenn wir nichts mehr von ihnen erwarten." Beispielsweise sollten Kinder aus Einwandererfamilien möglichst früh in Krippen und Kitas kommen, um Deutsch zu lernen. Gauck sagte, es gebe "Tendenzen der selbst gewählten Ohnmacht in Teilen der Bevölkerung": "Nichts lässt Menschen mehr verkümmern als Verweigern von Verantwortung, als Verantwortungslosigkeit."
Genscher hätte lieber den 9. Oktober als Feiertag
Bundespräsident Wulff hob die tiefgreifenden Umwälzung durch die Überwindung der deutschen Teilung hervor. "Die Veränderungen, die unser Land in dieser Zeit erfahren hat, sind gewaltig, besonders in Ostdeutschland. Aber nicht nur dort, sondern in allen Teilen Deutschlands hat sich unser Leben enorm gewandelt."
Der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) hält indes den 3. Oktober nicht für den besten Termin als Tag der Deutschen Einheit. Er würde den 9. Oktober vorziehen. "Die große Freiheitsdemonstration, bei der sich alles entschied, war in Leipzig, das war am 9. Oktober", sagte Genscher in der Radio-Bremen-Talkshow "3nach9" am Freitagabend. Diese Demonstration sei "ein Lichtblick in der deutschen Geschichte" gewesen.
"20 Jahre nach der Vereinigung ist die deutsche Einheit weder vollendet noch gelungen", erklärten dagegen die Vorsitzenden der Linken, Klaus Ernst und Gesine Lötzsch, am Samstag. "Viele Menschen haben die Ereignisse vor 20 Jahren zu Recht als Anschluss und nicht als Wiedervereinigung empfunden." Zwar sei auch vieles besser geworden, aber viele Bürger beklagten einen Mangel an wirtschaftlicher und sozialer Einheit im Land. "Viele sind zu Recht empört über die Entwertung ihrer Biografien durch die pauschale Belegung der ostdeutschen Vergangenheit mit dem politischen Kampfbegriff 'Unrechtsstaat'", erklärten die Linken.