In Berlin studieren, davon hat Susanna schon lange geträumt. Jetzt ist es soweit. Die 24-Jährige aus dem Ruhrgebiet freut sich auf ihr neues Leben und startet mit Elan die Wohnungsuche. Doch sie weiß auch, leicht wird es nicht. Die Zahl der Berliner Haushalte nimmt seit Jahren zu, während immer weniger gebaut wird: Der Raum wird knapp und die Mieten steigen. So sind gerade die kleinen 1-Zimmer-Wohnungen zum Semesterstart heiß begehrt.
Prenzlauer-Berg, 7.30 Uhr
Der Wecker klingelt und Susanna wacht in unvertrauter Umgebung auf. Sie ist zur Zwischenmiete in dem kleinen Zimmer im Prenzlauer-Berg. Mitte Oktober will sie spätestens in ihrer eigenen Wohnung schlafen, denn dann beginnen die Vorlesungen. Viel Zeit bleibt also nicht.
Kreuzberg, 8.30 Uhr
Den Besichtigungstermin hatte Susanna schon vergangene Woche mit der Maklerin ausgemacht. So steht sie nun, seriös gekleidet mit schwarzer Hose und Bluse, vor einem Haus mit kleinem Kiosk. Sie ist 15 Minuten zu früh, denn sie weiß: Eine viertel Stunde zu spät und die Maklerin ist wieder weg. Sie kauft einen Kaffee, die türkischen Ladenbesitzer sind freundlich und erzählen, dass in der Gegend nette, junge Leute wohnen.
Kreuzberg, 8.50 Uhr
Die Maklerin kommt verspätet. Inzwischen warten sieben Interessenten. Rein in die Wohnung - auf den ersten Blick ist sie schön, hell und freundlich. Doch stand in der Internet-Annonce nicht mit Laminat-Boden? Hier liegt Teppich. Und stand im Internet nicht mit Waschmaschine? Hier gibt es keine. Erst auf den zweiten Blick fällt auf: Die Haustür ist von innen stark verkratzt und Rohre in der Küche sind nicht verkleidet. Natürlich schwärmt die Maklerin von der guten U-Bahn-Anbindung und verschweigt die Wohnungsmängel. Doch die Interessenten lassen sich nicht täuschen. "340 Euro warm ist einfach zu viel Geld für das Loch", meint auch Susanna.
Moabit, 10.00 Uhr
Die angehende Psychologie-Studentin rennt durch Moabit. Der Weg von Kreuzberg bis hierher war weiter als gedacht. Außer Atem kommt sie an und andere Interessenten kommen ihr bereits entgegen. "Wenn Sie noch hin wollen, durch den Hinterhof, vierter Stock", sagt ein freundlicher Herr. Die Berliner Innenhöfe sind einfach traumhaft. Draußen brüllt der laute Straßenlärm, doch kaum durch den Flur spaziert und im Hof stehen einladende Bänke unter Bäumen. Im vierten Stock arbeitet ein Handwerker, der Besichtigende einlässt. Susanna ist sofort klar, warum in der Zeitung nur ein günstiger Mietpreis und nicht viel mehr stand. Die Wohnung ist hässlich: Holzvertäfelung und brauner Teppich. "In ein paar Monaten haben se hier ooch jemanden drin", sagt der Handwerker im besten Berlinerisch.
Schöneberg, 11.30 Uhr
Schnell ein Internet-Café gesucht, denn fast alle Annoncen für kleine Wohnungen findet man im Netz. Zeitungen werden für solche Inserate kaum noch genutzt. Für Susanna gibt es online alle paar Stunden immer wieder neue, interessante Angebote. Sie weiß, man muss schnell sein. Angerufen und Termin gemacht – manchmal für in einer Stunde.
Schöneberg, 12.00 Uhr
Die Wohnung ist hell und wirklich schön. Doch 50 Interessenten drängen sich in ihr. Der Makler wird mit Fragen bombardiert. "Ist es ein Nachteil, wenn meine Miete die Arbeitsagentur zahlt", fragt eine junge Frau. "Ein Vorteil ist es nicht unbedingt", so die ausweichende Antwort. Arbeitssuchende sind eben nicht das Klientel, dass sich Vermieter wünschen, denkt sich Susanna. Doch auch ihre Chancen hält sie für gering und geht.
Charlottenburg, 14.20 Uhr
Der Termin war für 14.00 ausgemacht. Susanna wartet vor der Haustür eines frisch sanierten Mehrfamilienhauses. Bei der erwarteten Hausverwaltung springt nur der Anrufbeantworter an und auch der Budenbesitzer von nebenan weiß keinen Rat. Susanna geht enttäuscht.
Neukölln, 15.30 Uhr
Pause mit Milchkaffee in einer türkischen Bäckerei. Schnell nochmal einen Blick auf die einschlägigen Internetseiten. Noch ein paar Anrufe. Manche Wohnungen sind nach ein paar Stunden schon nicht mehr zur Besichtigung verfügbar.
Neukölln, 16.00 Uhr
Ein junger Jazz-Musiker mit Lockenkopf öffnet die Tür. In der Wohnung stehen ein Klavier, Bongos, ein Akkordeon und an der Garderobe hängen zehn Hüte und mehrere Sakkos für seine Auftritte. Die improvisiert wirkenden Wohnungseinrichtung spiegelt sein Lebensgefühl: Künstlerisch, stilvoll und entspannt. Für Susanna und eine weitere Wohnungssuchende gibt es Pfefferminztee. "Trotz Neuköllns schlechtem Ruf ist das hier ein sicheres Pflaster", meint der Musiker: "Und die Mieten sind unschlagbar günstig."
Neukölln, 18.00 Uhr
Ganz spontan hat Susanna noch einen Termin ergattert. Sie war die erste Anruferin. Die Wohngegend ist ranzig, aber das Zimmer ist gut geschnitten. "Du, ich würde dir gern die komplett die Möbel für 1.000 Euro verkaufen", sagt die Vormieterin. "Sonst leite ich deine Bewerbung nicht an die Hausverwaltung weiter."
Prenzlauer-Berg, 20.00 Uhr
Susannas Füße tun weh. In ihrem Kopf schwirren die Gedanken. Die vielen Eindrücke müssen erstmal sortiert und verarbeiten werden. Ihre Traumwohnung hat sie noch nicht gefunden. Morgen ist auch noch ein Tag.
Internetseiten für wohnungsuchende Studenten:
www.wg-gesucht.de
www.studenten-wg.de
www.studenten-wohnung.de
Sarah Salin ist freie Journalistin und lebt in Berlin