Entgegen aller Erwartungen haben die katholischen Bischöfe als Erste reagiert: Sie beschlossen bei ihrer Vollversammlung in Fulda, Vorschläge für eine Entschädigung auf den Runden Tisch legen. Summen sollen allerdings noch nicht genannt werden. Dennoch gerät dadurch der Runde Tisch in Zugzwang: Bislang haben sich die Arbeitsgruppen des Runden Tisches mit dem heiklen Thema nicht befasst.
Der Runde Tisch hatte am 23. April erstmals getagt. Er war von Anfang an ein Kompromiss. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) überwarf sich mit der Deutschen Bischofskonferenz, die daraufhin eine Teilnahme an einem Runden Tisch verweigerte. In diese Lücke sprang geschickt Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU). Sie plädierte für einen Runden Tisch mit vielerlei Akteuren - und gewann auch die katholische Kirche für sich. Weil sich zunehmend Missbrauchsopfer aus Schulen zu Wort meldeten, musste auch Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) einbezogen werden.
Kein Vetorecht für die Opfer gegen den Staatsanwalt
Drei Ministerinnen macht drei Arbeitsgruppen. Um wirklich handfeste Fragen geht es nur in der Justiz-Arbeitsgruppe. Sehr schnell einig wurden sich die Rechtsexperten, dass es eine Anzeigepflicht bei Missbrauchsfällen nicht geben soll. Sehr lange diskutierte die Arbeitsgruppe über die Frage, wann die Staatsanwaltschaft in Ermittlungen eingeschaltet werden soll. Dies war auch der Hauptstreitpunkt zwischen Leutheusser-Schnarrenberger und Bischofskonferenz. Die Justizministerin will dazu beim Runden Tisch in dieser Woche Empfehlungen vorlegen.
Einigkeit bestand offenbar unter den Rechtsexperten, dass es kein Vetorecht für Opfer geben soll, das Opfer also nicht in jedem Fall staatsanwaltschaftliche Untersuchungen verweigern kann. "Manchmal muss man sich über ein Opfer hinwegsetzen, um weitere Verbrechen zu verhindern", sagt ein Mitglied der Arbeitsgruppe.
Allerdings sollen die Rechte der Opfer ebenso wie der Opferschutz verbessert werden. Die zivilrechtliche Verjährungsfrist soll auf 30 Jahre verlängert werden. Sie liegt derzeit bei drei Jahren, gerechnet ab dem 21. Lebensjahr. Das heißt, dass nur in dieser Zeit Schadenersatzansprüche gestellt werden können. Mit einer Erhöhung der strafrechtlichen Verjährungsfrist von derzeit zehn Jahren ab der Volljährigkeit des Opfers ist hingegen nicht zu rechnen. Denn eine Änderung hätte auch für viele andere Straftaten Konsequenzen bei der Verjährung, verlautete aus der Justiz-Arbeitsgruppe.
Staatliche Förderung nur gegen Anti-Missbrauchs-Standards?
Die Empfehlungen der anderen beiden Arbeitsgruppen werden stark appellativen Charakter haben. Bessere Lehrerfortbildung, präventive Maßnahmen in Schulen - das meiste liegt in Länderhoheit. Als konkreten Schritt kündigte Schröder bislang an, die staatliche Förderung von Schulen und Vereinen an die Einhaltung von Standards gegen sexuellen Missbrauch zu knüpfen. Darüber hinaus wird es wohl auf Selbstverpflichtungen der Institutionen hinauslaufen. Die Schavan-Arbeitsgruppe tagte ohnehin erst einmal. Sie hat ein interdisziplinäres Forschungsnetzwerk auf den Weg gebracht.
Die Entschädigungsfrage wird als größter Brocken auf dem Tisch liegen bleiben. Bislang wurde den Teilnehmern vor allem deutlich: Sexueller Missbrauch findet zu einem hohen Anteil in der Familie statt. Für diese Missbrauchsopfer kann es nach Ablauf der Verjährungsfrist überhaupt keine staatliche Entschädigung geben.