Die Hochwasserlage im Süden Brandenburgs hat sich dramatisch zugespitzt. Besonders kritisch ist die Lage nach Angaben des Landesumweltamtes an der Schwarzen Elster. In der südbrandenburgischen Stadt Elsterwerda werden Teile der Innenstadt seit Mittwochnachmittag geräumt. Das habe der regionale Katastrophenstab angeordnet, teilte das Potsdamer Innenministerium mit. Demzufolge sind rund 2.500 Menschen betroffen.
"Das ist kein gewöhnliches Hochwasser. Wir haben an der Elster die höchsten jemals gemessenen Wasserstände", sagte Amtspräsident Matthias Freude, am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa. Evakuierungen seien wohl nicht zu vermeiden. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) wollte sich am Mittag in Spremberg ein Bild von der Hochwasserlage im Landessüden machen. Auch Umweltministerin Anita Tack (Linke) ist mit ihm unterwegs.
Die Schwarze Elster in Brandenburg und der Nebenfluss Pulsnitz haben inzwischen die höchste Alarmstufe 4 erreicht. Am Pegel Bad Liebenwerda übertraf der Wasserstand den kritischen Wert der Stufe 4 um 30 Zentimeter, das waren 3,40 Meter. Sonst ist der Wasserstand des kleinen Flusses dort nur etwa halb so hoch.
Die Behörden begannen mit den Vorbereitungen für eine mögliche Evakuierung der Innenstädte von Elsterwerda und Bad Liebenwerda (beide Kreis Elbe-Elster). Eine Entscheidung des Katastrophenstabes stand vorerst noch aus. In Elsterwerda mussten die Schüler des Elsterschloss-Gymnasiums bereits das Gebäude verlassen. "Der Schulbetrieb wurde eingestellt", sagte ein Polizeisprecher.
"Wer nicht unbedingt nach Berlin muss, sollte es lassen"
Die Autobahn A 13 Dresden-Berlin ist derzeit wegen Hochwasser zwischen Ruhland und Thiendorf in beiden Richtungen gesperrt. "Wer nicht unbedingt nach Berlin muss, sollte es lassen", sagte ein Sprecher des Autobahnamtes Dresden der dpa. Zwischen den Anschlussstellen Schönborn und Ortrand sei auch die Umleitungsstrecke völlig überlastet, auf der Autobahn habe sich wegen der vielen überfluteten Straßen ein Rückstau gebildet.
Nach Angaben des Innenministeriums sind mehr als 800 Helfer im Einsatz, rund 150.000 Sandsäcke werden in die Hochwassergebiete gebracht. In der Region bemühten sich bis zu 240 Einsatzkräfte von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk um das Abpumpen von Wasser an besonders gefährdeten Stellen.
Steigende Wasserstände gibt es an der Neiße bei Klein Bademeusel (Spree-Neiße). Dort ist mittlerweile die Hochwasserwelle aus Sachsen angelangt. Für die Spree am Pegel Spremberg (Spree-Neiße) wurde in der Nacht zum Mittwoch die Stufe 4 erreicht. Die Stadt errichtete aus Sandsäcken zwei Notdeiche, um den Uferbereich zu schützen. Am Mittwochnachmittag sollte die Baustelle an der Staumauer geräumt sein. Dann könnten etwa 50 Kubikmeter Wasser pro Sekunde aus dem Stausee kontrolliert in Richtung Cottbus und Spreewald abgelassen werden. Zurzeit fließt mehr als doppelt so viel Spreewasser aus Sachsen in die Talsperre. An der Oder steigen ebenfalls die Wasserstände.
In Ostsachsen entspannt sich die Situation weiter. Auch für den nördlichen Teil des Landkreises Görlitz wurde der Katastrophenalarm inzwischen aufgehoben, teilte der Katastrophenschutzstab in Niesky mit. Damit bestehe trotz einiger Schwerpunkte für den gesamten Landkreis kein Alarm mehr.
Brandenburg wird noch lange mit dem Wasser kämpfen
In Brandenburg kann aber von einer Entspannung nicht die Rede sein. Die Böden der Felder und Wiesen im Brandenburger Urstromtal sind randvoll mit Wasser. "Alle Poren sind bis oben gefüllt", sagte Wolfgang Genehr, Abteilungsleiter im Landesumweltamt Brandenburg. Es ist bereits das vierte Hochwasser in diesem Jahr, und die Zeit habe nicht gereicht, damit die Böden wieder trockneten. Die Landwirte hätten in den vergangenen Wochen bereits Alarm geschlagen, dass die Ernte auf den zu nassen Feldern nicht gedeihe.
Normalerweise würden Gräben und Schöpfwerke das Wasser aus den Flächen herausbringen. "Eine Entwässerung gelingt aber nur, wenn in den Vorflutern Spree, Neiße und Schwarze Elster niedrige Wasserstände sind", sagte Genehr. "Jetzt sind diese Flüsse aber bis zum Rand gefüllt." Das Wasser kann nirgendwo mehr hin abfließen. Betroffen seien die Bereiche um Forst und Elsterwerda sowie das Oderbruch. "Jeder weitere Regen kann hier jetzt in den Niederungen wieder zu einem Hochwasser führen", sagte Genehr voraus. "Da es derzeit keine Verdunstung gibt, wird sich der erhöhte Grundwasserstand bis zum nächsten Sommer hinziehen."
Vor langfristigen Folgen warnte der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Hans Joachim Schellnhuber. Die Hochwasserkatastrophen im August 2002 waren ein "Weckruf", sagt er: "Wir haben bisher viel zu sorglos gebaut." Extreme Wetterlagen könnten künftig häufiger zum Alltag gehören und erhebliche Investitionen nötig machen.