Die Koalition rechnet die Regelsätze runter
Nach Schätzungen der Diakonie, so Vorstandsmitglied Kerstin Griese, müsste der Hartz-IV-Regelsatz deutlich über 400 Euro liegen. Der Bedarf werde aus politischen Gründen kleingerechnet, die Neuregelung sei "skandalös", schreibt die SPD-Politikerin in einem Beitrag für evangelisch.de.
28.09.2010
Von Kerstin Griese

Die von der Bundesregierung geplante Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze um fünf Euro auf 364 Euro ist skandalös. Mit diesem Regelsatz haben arme Menschen weiterhin keine Chance, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Nach den Schätzungen der Diakonie müsste der Regelsatz deutlich über 400 Euro liegen.

Der Verdacht liegt nahe, dass der Bedarf aus politischen Gründen kleingerechnet worden sind. So wurde die Bezugsgruppe in der Einkommens- und Verbraucherstichprobe nach unten definiert. Bisher hat man sich bei der Berechnung an dem Ausgabeverhalten der unteren 20 Prozent der Haushalte orientiert. Bei der Berechnung für kinderlose Erwachsene finden jetzt nur noch die untersten 15 Prozent Beachtung.

Auch Nichtraucher erhalten weniger

Auch andere Berechnungsgrundlagen sind fragwürdig. Im Gesetzentwurf wurden knapp 20 Euro für Alkohol oder Tabak herausgerechnet. Das trifft aber auch die, die nicht rauchen und keinen Alkohol trinken. Darunter leiden vor allem die Kinder. Diese 20 Euro fehlen jetzt im Gesamtbedarf, zum Beispiel für gesunde Lebensmittel oder warme Kleidung.

Erschreckend ist auch, dass trotz des Karlsruher Urteils der besondere Bildungsbedarf von Kindern nicht berücksichtigt wurde. Weder sind die Kinderregelsätze erhöht worden, noch liegt hier ein bis Januar 2011 umsetzbares Konzept der Regierung vor. Für Bildung sind durchweg unter einem Euro im Monat vorgesehen. Diese Statistik ist nicht lebensnah. Schon jetzt fehlt im unteren Einkommensbereich das Nötigste für Kinder. Statt einen diskriminierungsfreien Zugang zu Bildung und Teilhabe zu schaffen, werden Gutscheine geplant, die Hartz-IV-Kinder deutlich als arm und ausgegrenzt markieren.

Elterngeld gestrichen

Zusammen mit der Streichung des Elterngeldes für Hartz IV-Empfänger und den Kürzungen bei den beruflichen Eingliederungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose werden die betroffenen Menschen massiv benachteiligt. 620 Millionen Euro Mehrkosten hat die Bundesregierung für die neuen Regelsätze im Sozialgesetzbuch II eingeplant. Gleichzeitig stehen dem bis 2014 Kürzungen von 13,9 Milliarden Euro bei Elterngeld, Eingliederung in den Arbeitsmarkt und Rentenbeiträgen gegenüber.

Die Bedarfe werden nicht gedeckt und die Auswege aus der Arbeitslosigkeit werden zugemauert. Die Diakonie fordert daher eine Korrektur der neuen Regelsätze für Erwachsene und Kinder und die Rücknahme der Kürzungen bei den Eingliederungsleistungen.


Kerstin Griese (43) ist SPD-Bundestagsabgeordnete und gehört dem Vorstand des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an.