In der größten israelischen Siedlerstadt Ariel ließen die Einwohner ihrer Freude über das Ende des zehnmonatigen Baustopps am Montagmorgen freien Lauf. Feierlich in weiß gekleidet, tanzten sie ausgelassen um die Bulldozer, die zum Baubeginn bereit standen. Ein neues Viertel mit 50 Wohnungen soll in Ariel entstehen, um ehemaligen Einwohnern der geräumten Siedlungen im Gazastreifen eine neue Heimat zu bieten. "Kein politischer Führer kann die Besiedlung von Judäa und Samaria (Westjordanland) aufhalten'", sagte einer der Siedler triumphierend. "Wir haben mit dem Bauen erst angefangen."
Israels befristeter Baustopp im Westjordanland ist zu Ende, doch noch ist in Nahost nicht die befürchtete politische Eiszeit angebrochen. Internationale Vermittler unter US-Führung haben dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu noch eine Woche Galgenfrist verschafft: Bis zur Sitzung der Arabischen Liga am 4. Oktober soll versucht werden, doch noch einen Kompromiss in der Frage des Siedlungsausbaus zu finden. Netanjahu beteuerte in der Nacht zum Montag, er wolle sich in den kommenden Tagen an den Bemühungen um eine Fortsetzung der Friedensgespräche beteiligen.
Druck auf Abbas wird stärker
Doch der interne Druck auf Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, die Friedensgespräche wegen der neuen Bauaktivitäten abzubrechen, wird immer stärker. Die Palästinenser schieben den schwarzen Peter jetzt erst einmal weiter an die Arabische Liga: Sie soll in einer Woche in Kairo über die Zukunft der erst zu Monatsbeginn wieder aufgenommenen direkten Gespräche mit Israel entscheiden. Die Palästinenserführung will es um jeden Preis verhindern, die Verantwortung für den Abbruch der Gespräche in die Schuhe geschoben zu bekommen.
Der palästinensische Unterhändler Jassir Abed Rabbo warf Israel am Montag vor, es sabotiere den Friedensprozess, indem es den Baustopp nicht verlängere. "Wenn dieser erste Schritt schon verhindert wurde - wie wollen wir dann andere Themen wie Jerusalem, Flüchtlinge und Grenzen diskutieren?" fragte er im Gespräch mit dem palästinensischen Rundfunk.
Netanjahu hat Wort gehalten
Intern steht Netanjahu nach der Entscheidung, den Baustopp nicht zu verlängern, gestärkt da: Er hat den enormen Frustrationsdruck, der sich in den letzten zehn Monaten bei den Siedlern aufgebaut hat, entweichen lassen. Der Regierungschef hat auch sein Wort gehalten, das Moratorium auslaufen zu lassen und steht nach innen nicht als Umfaller da.
Aus internationaler Perspektive bietet sich jedoch ein anderes Bild. Netanjahu hat sich der ausdrücklichen Forderung von US-Präsidenten Barack Obama widersetzt, den Baustopp zumindest um einige Monate zu verlängern. Deshalb stehen für ihn jetzt diplomatische Reparaturarbeiten an. Er muss versuchen, bei seinem schwierigen Jonglieren zwischen internen und internationalen Forderungen alle Bälle in der Luft zu behalten.
Kommt neuer Baustopp?
Netanjahu hat an die Siedler appelliert, trotz Ende des Baustopps Mäßigung zu zeigen. Zumindest in der kommenden Woche sind im Westjordanland keine größeren Bauaktivitäten zu erwarten, insbesondere wegen jüdischer Feiertage. Etwa 2.000 Wohnungen dürfen zwar ohne weitere Genehmigungen gebaut werden, nicht alle Bauherren haben es jedoch sehr eilig damit. Bevor sie hohe Investitionen auf sich nehmen, wollen viele erst einmal abwarten, ob der Baustopp nicht doch bald wieder in Kraft tritt.