Seit Monaten schon dümpelt der Aufschwung zwischen Maui und Manhattan müde vor sich hin, schnelle Besserung ist vorerst nicht in Sicht. Der Rezessions-Kater plagt die größte Volkswirtschaft weit schwerer als gedacht. Nicht wenige in den USA reiben sich derweil die Augen angesichts des deutschen Konjunktur-Feuerwerks - in jenem Teil der Welt, der gerade von US-Konservativen gerne als unternehmerfeindlich und staatsverliebt belächelt wird. Der Boom in Deutschland wird plötzlich zur Medien-Story, vor allem der Export weckt Bewunderung.
"Besonders die Ausfuhrerfolge kleiner und mittlerer Unternehmen aus Deutschland werden in den USA aufmerksam registriert", sagt Bernhard Welschke, Delegierter der deutschen Wirtschaft in Washington, Vertreter des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und Industrie- und Handelskammertag. "Man fragt sich, wie diese Erfolge zustande kommen, wie es die deutsche Industrie geschafft hat, derzeit recht wettbewerbsfähig zu sein." Das deutsche Beispiel macht Schule: Binnen fünf Jahren will Präsident Barack Obama die US-Exporte verdoppeln. Washington nehme dabei auch die deutsche Exportförderung als Vorbild, erläutert Welschke.
China ist der größte deutsche Absatzmarkt
Der renommierten "Washington Post" ist der deutsche Export-Galopp eine große Geschichte wert und schickte gar einen Reporter zum Küchenhersteller Nobilia ins nordrhein-westfälische Verl. "Während sich die Amerikaner Sorgen über hohe Arbeitslosigkeit und die Gefahr einer neuen Rezession machen, verschafft eine Konjunktur-Renaissance den Deutschen Jobs und treibt die Wirtschaft auf ein Tempo, dass man seit dem Fall der Mauer nicht mehr sah", lobt die Zeitung. Als Grund höre man von Managern oft nur ein Wort: China.
Das Reich der Mitte überholte die USA inzwischen als wichtigsten Auslandsabsatzmarkt für Investitionsgüter, notiert die "Post". "In den USA als wirtschaftlicher Blutsauger verdammt, wird China hier als Kunde hofiert". Deutschland sei Beweis, dass eine reiche Nation vom Aufstieg Chinas profitieren könne.
Wirtschaftspraktiker stimmen zu. "Kritiker behaupten, die USA könnten wegen ihrer Löhne wettbewerbsmäßig niemals mit China mithalten", sagt Scott Paul, Exekutivdirektor der Industrielobby Alliance for American Manufacturing. "Aber Deutschland ist ein Land mit Einkommen und Sozialleistungen mindestens wie in in den USA, und doch haben sie es geschafft, eine industrielle Basis und Handelsbeziehungen zu China zu haben, die wir hier in den USA liebend gerne hätten."
US-Wirtschaft lebt von privatem Konsum
Entsprechend sehen es nicht wenige US-Wirtschaftspraktiker höchst skeptisch, wenn der US-Kongress wie derzeit die Weichen für Importzölle stellt, um China für seine unterbewertete Währung zu züchtigen. Noch ist ein entsprechender Gesetzentwurf längst keine ausgemachte Sache. Am Freitag aber passierte bereits eine Vorlage einen Kongressausschuss, das Repräsentantenhaus könnte noch in dieser Woche darüber abstimmen. Fachleute warnen: "Auf Peking einzuprügeln, hilft unserem Handelsdefizit nicht", mahnt Robert Pozen vom renommierten Brookings-Institut in Washington.
Wird das Gesetz erst einmal wahr, könnten die Strafmaßnahmen zum bitteren Bumerang für Obamas Export-Pläne werden, die eine Achilles-Ferse Amerikas weniger anfällig machen sollen: Denn die US-Wirtschaft ist zu 70 Prozent vom privaten Konsum abhängig, nur zu etwa 13 Prozent von Ausfuhren.
Die deutsche Wirtschaftsleistung kann sich hingegen zu deutlich mehr als einem Drittel auf Ausfuhren stützen - springt der Welthandel an, ist das der Startschuss für die Konjunktur. Amerikas Verbraucher sind derweil noch vollauf beschäftigt, ihre über Jahrzehnte aufgetürmten Schuldenberge Stück zu Stück abzutragen und den teils massiven Wertverlust ihrer Immobilien zu verkraften. Probleme, die es in Deutschland so nicht gab.
Die amerikanischen Bosse lieben Angela Merkel
"Eines ist sicher: Wenn es um den Aufbau einer gesunden Handelsbeziehung mit China geht, kauft Deutschland den USA den Schneid ab", urteilt die "Washington Post" knapp. Obwohl Amerika in absoluten Zahlen mehr ins Reich der Mitte ausführt als Siemens und Co schlage Deutschland die USA gemessen an der Größe der Volkswirtschaft um den Faktor drei zu eins, rechnete die Zeitung aus.
Der wirtschaftliche Erfolg strahlt auch auf die politische Führung ab. In einer Erhebung der Wirtschaftsagentur Bloomberg bewerteten 70 Prozent der weltweit befragten Investoren, Händler und Analysten die Wirtschaftspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu 70 Prozent positiv bewertet, in den USA waren es sogar 74 Prozent. US-Präsident Barack Obama kommt weit schlechter weg: Seine Leistungen sahen nur etwas mehr als ein Drittel positiv.