evangelisch.de: Eine Erhöhung von Hartz IV um fünf Euro: Kann damit irgendjemand zufrieden sein, von den Hilfe-Empfängern bis zu den Politikern?
Ernst Elitz: Zufrieden können alle erst sein, wenn die Hartz-IV-Empfänger wieder voll in das Arbeitsleben eingebunden sind. Allein daran müssen sich alle Bemühungen orientieren. Ob nun ein paar Euro für Schnaps und Zigaretten zu den Lebenshaltungskosten gerechnet werden, ist eine drittrangige Frage. Eine Integration ins Arbeitsleben – Lohn- oder Bürgerarbeit – setzt voraus, dass für die arbeitslosen Mütter und ihre Kinder Betreuungsplätze und Ganztagsschulen bereitstehen. Es setzt voraus, dass die Kommunen genügend Arbeitsangebote bereitstellen und allgemein anerkannt wird, dass von allen Lastern Nichtstun das schlimmste ist. Eine solidarische Gesellschaft gründet darauf, dass jeder an welcher Stelle auch immer, etwas für die Gemeinschaft leistet. Das stärkt das Selbstwertgefühl. Nichts würde dem mehr zuwider laufen, als wenn ein Hartz-IV-Empfänger, der endlich Arbeit hat, feststellen muss, dass er für seinen Nachbarn zahlt, der es sich mit staatlicher Fürsorge und etwas Schwarzarbeit weiter bequem machen kann.
evangelisch.de: Wieder ein Amoklauf in Baden-Württemberg, dem Bundesland, das seit Winnenden die strengsten Waffenkontrollen in Deutschland hat. Wird es langsam Zeit, tödliche Schusswaffen aus Privathaushalten zu verbannen?
Ernst Elitz: Ich bin fassungslos, dass wir auf amerikanische Verhältnisse zusteuern, wo jeder, der Lust hat, sich eine Waffe in den Schrank stellen kann. Da hilft auch der Verweis auf die Sportschützen nicht. Ein Turner beherbergt seinen Barren auch nicht im Wohnzimmer. Sportgerät gehört in die Sporthalle. Und Waffen gehören nicht auf die Wohnetage.
evangelisch.de: US-Präsident Obama will die "Eigenverantwortung" armer Staaten stärken, die deutsche Regierung will ihren Beitrag zum "Global Fund" gegen Malaria, Tuberkulose und AIDS/HIV von 600 Millionen Euro auf 200 Millionen Euro senken. Müssen sich die armen Länder warm anziehen, weil die westliche Welt sich aus der Wirtschaftskrise sparen will?
Ernst Elitz: Das Prinzip Eigenverantwortung hätte mir schon vor der Wirtschaftskrise gefallen und es hätte manchen Unmut in den Geberländern gegen die Entwicklungshilfe gedämpft. Bedauerlich ist, dass nun der – leider gerechtfertigte – Eindruck entsteht, es ginge den Geberländern nur ums Sparen. Eigenverantwortung und eine rigide Überprüfung des Mitteleinsatzes in den Empfängerländern ist auch im Interesse der Hilfebedürftigen. Es ist kein Geheimnis, dass sich in vielen Ländern die herrschende Klasse der Kleptokraten erst einmal ordentlich bedient hat, bevor die Reste an die Armen weitergegeben wurden. Die Auszahlung von finanziellen Beträgen und die Güterlieferungen müssen schrittweise erfolgen. Die nächste Tranche geht erst auf den Weg, wenn der sinnvolle Einsatz der bisherigen Mittel belegt ist. Dumm aus der Wäsche gucken dann nur die Betrüger. Aber für die ist die Hilfe ja auch nicht gedacht.
Prof. Ernst Elitz, Jahrgang 1941, lebt als freier Publizist in Berlin. Nach seinem Studium der Germanistik, Theaterwissenschaften, Politik und Philosophie kam er über Stationen wie den "Spiegel" und das öffentlich-rechtliche Fernsehen zum Deutschlandradio, das er als Gründungsintendant von 1994 bis 2009 leitete. Alle seine Drei-Fragen-Kolumnen finden Sie hier auf einen Blick.