TV-Tipp des Tages: "Ein geheimnisvoller Sommer"
Dieser Fernsehfilm hat viele Elemente eines Krimis, aber im Kern geht es um die Selbstfindung einer Frau. Ein Glück, dass diese Frau von Suzanne von Borsody gespielt wird.
27.09.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Ein geheimnisvoller Sommer" , Montag, 27. September, 20.15 Uhr im ZDF

Der innere Monolog ist ein probates Mittel für Romanautoren, wenn ihre Hauptfiguren aus erster Hand seelische Befindlichkeiten schildern sollen. Im Film gibt es diese Möglichkeit auch: Wie der Sprecher eines Dokumentarfilms sagen die Schauspieler aus dem so genannten Off Texte auf. Aber diese Methode wirkt immer wie eine Krücke: als seien die Drehbuchverfasser nicht in der Lage gewesen, die inneren Vorgänge in adäquate Bilder umzusetzen. Hannah Hollinger und Johannes Grieser haben für ihren subtilen Thriller "Ein geheimnisvoller Sommer" einen Weg gefunden, der ebenso schlicht wie überzeugend ist: Esther Kaufmann ruft regelmäßig ihren Freund an und spricht ihm auf die Mailbox seines mobilen Telefons. Auf diese Weise führt sie quasi Tagebuch. Und weil der junge Paul das Telefon entwendet hat, ist er ständig über Esthers Innenleben auf dem Laufenden, was der ohnehin spannungsreichen Beziehung dieses ungleichen Paares eine weitere besondere Note gibt.

Für Suzanne von Borsody ist die Rolle der selbstbewussten Fotografin um die fünfzig, die an einem Wendepunkt ihres Lebens angelangt ist, ein Glücksfall; und sie als Besetzung auch. Esther trifft sich mit ihrem Freund (Erwin Steinhauer), der gleichzeitig auch der Verleger ihrer Fotobücher ist, in seinem abgelegenen Ferienhaus in den Chiemgauer Bergen. Dort macht der verheiratete Rolf, dessen Geliebte Esther seit vielen Jahren ist, klar, dass es keine gemeinsame Zukunft für sie geben wird. Er gesteht ihr ein Verhältnis mit seiner Assistentin, die ein Kind erwartet. Am nächsten Morgen bricht Rolf zu einem Termin in der Schweiz auf, doch dort kommt er niemals an.

Dafür taucht im Nachbarhaus ein junger Mann namens Paul (Ludwig Blochberger) auf. Er ist der Sohn einer Frau, die früher für Rolf und zwei weitere Familien den Haushalt der Urlaubshäuser geführt hat, bis sie sich eines Tages das Leben nahm. Esther wird nicht schlau aus dem Jungen, hegt aber Sympathien für ihn; selbst dann noch, als einiges darauf hin deutet, dass er Rolf überfahren hat. Die Leiche des Verlegers wird kurz darauf aus einem See gefischt. Als Rolfs alter Freund Stephan (Peter Prager), ein Staatsanwalt, die Hintergründe des gewaltsamen Todes erforschen will, kommt Esther einem Sündenfall auf die Spur, der vor Jahren einen düsteren Schatten auf das Sommerparadies geworfen hat.

Trotz der durchaus vorhandenen Krimi-Elemente ist "Ein geheimnisvoller Sommer" vor allem ein Film über die Selbstfindung einer Frau, die stets stolz auf ihre vermeintliche Unabhängigkeit war, sich nun aber in einer Schaffens- und Identitätskrise befindet und sich fragt, ob sie die besten Jahre ihres Lebens verschwendet hat. Zwei Einstellungen beschreiben Esthers Wandel: Am Anfang des Films nimmt sie ein Selbstporträt auf, löscht es aber wieder. Am Ende fotografiert sie sich erneut; diesmal löscht sie das Bild nicht.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).