Fünf Euro mehr: Massive Kritik am neuen Hartz IV
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat die geplante Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze um fünf Euro gegen massive Kritik von Opposition und Sozialverbänden verteidigt. "Die Sätze sind sehr gerecht", sagte sie der "Bild"-Zeitung vom Montag. Die Bundesregierung richte sich "ganz genau" nach dem Existenzminimum, das das Statistische Bundesamt errechnet habe. Thüringens SPD-Chef Christoph Matschie äußerte indes Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Berechnung. Der Paritätische Wohlfahrtsverband warf von der Leyen statistische Tricksereien vor.

Union und FDP hatten im Koalitionsausschuss am Sonntag entschieden, dass der Hartz-IV-Regelsatz für Erwachsene im nächsten Jahr von 359 auf 364 Euro steigen soll. Die Regelsätze für Kinder von 215, 251 und 287 Euro im Monat bleiben unverändert. Das Kabinett will am 20. Oktober über das Gesetz entscheiden.

In der Sendung "Anne Will" am Sonntagabend in der ARD sagte von der Leyen, eine Verkäuferin könne auch nicht mehr ausgeben als einem Hartz-IV-Empfänger zustehe. Wenn man die Erhöhung um fünf Euro als Verhöhnung der Hartz-IV-Empfänger kritisiere, verhöhne man in Wahrheit Menschen, die selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen müssten und auch nicht mehr Geld hätten.

Thüringens SPD-Chef Matschie sagte dem Radiosender MDR Info am Montagmorgen: "Das was jetzt auf dem Tisch liegt, das riecht nach einem politisch motivierten Ergebnis." Er könne sich nicht vorstellen, dass man auf sachlichem Wege zu einer solchen Entscheidung kommen könne. "Deshalb bin ich überzeugt, das wird keinen Bestand haben." Matschie kritisierte insbesondere, dass die Regelsätze für Kinder nicht erhöht werden sollen.

Gegen die Kinderlosen?

Nach Ansicht des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes hat von der Leyen bei den neuen Hartz-IV-Sätzen mit einer statistischen Verfälschung gearbeitet. Die Bundesregierung versuche, den Regelsatz von kinderlosen Erwachsenen zu drücken, sagte Verbandsgeschäftsführer Ulrich Schneider der "Süddeutschen Zeitung" (Montagsausgabe). Das sei "eine ganz üble Trickserei".

Bisher richten sich die Hartz-IV-Regelsätze nach dem Ausgabeverhalten der unteren 20 Prozent der Haushalte auf der Einkommensskala. Der Entwurf des Bundesarbeitsministeriums weiche davon aber ab, sagte Schneider: Bei kinderlosen Erwachsenen solle künftig auf die Einkommen der untersten 15 Prozent auf der Einkommensskala geachtet werden.

Grüne und SPD fordern Veröffentlichung der Rohdaten

Bis heute halte die Ministerin die Datengrundlage für die Erhöhung unter Verschluss, sagte die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern und SPD-Vize Manuela Schwesig. Jetzt werde "die notwendige Erhöhung des Regelsatzes offensichtlich künstlich heruntergerechnet". Schwesig forderte von der Leyen auf, die Rohdaten endlich öffentlich zu machen, "denn dieser Bundesregierung können wir nach den Mauscheleien der vergangenen Monate nicht vertrauen". Die Kinder, die im Zentrum des Karlsruher Hartz-IV-Urteils standen, sieht Schwesig bisher nicht ausreichend berücksichtigt.

Die nordrhein-westfälische Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD) bezeichnete die geringe Erhöhung der Hartz-IV-Sätze als skandalös. Die Reform sei offenbar "Ergebnis eines Koalitionsgeschachers", sagte Kraft den Zeitungen der WAZ- Mediengruppe (Montag). Es sei nur um Rücksichtnahmen und um die Kassenlage gegangen.

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir kündigte massiven Widerstand an. "Die Bundesregierung hat ein unmoralisches Koordinatensystem", sagte er dem "Hamburger Abendblatt" (Montag). Hinter verschlossenen Türen habe die Koalition ein unwürdiges Spiel getrieben, damit am Ende der politisch gewollte Betrag herauskomme. "So hat das Verfassungsgericht nicht entschieden, und so werden wir diese Entscheidung nicht hinnehmen. Diese Rechnung wird genau geprüft, und dann entscheidet der Bundesrat, in dem Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr hat."

FDP: Neuer Regelsatz "absolut transparent"

Unterdessen warnte die FDP die Sozialdemokraten davor, die geplanten Hartz-IV-Reformen im Bundesrat zu blockieren. Die Koalition repariere mit der Reform, was die SPD seinerzeit bei der Einführung von Hartz IV "verbockt" und das Bundesverfassungsgericht zu Recht moniert habe, sagte FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Montagsausgabe). Erstmals werde nun die Zusammensetzung des Regelsatzes "absolut transparent gestaltet".

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar geurteilt, die Regelsätze seien nicht transparent und eine Neuberechnung und -festsetzung bis 2011 verlangt. Das Gericht hatte aber nicht explizit von einer Erhöhung gesprochen, sondern nur eine nachvollziehbare Berechnung verlangt. Die Regelsätze müssen bis Ende dieses Jahres von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden.

epd