Wie relativ die Zeit ist, zeigt sich bekanntlich auf einfache Weise an einer verschlossenen Toilettentür: Während sie dahinter meist recht flott dahinfließt, die Zeit, zieht sie sich davor oft geradezu unerträglich in die Länge. Mit Albert Einsteins Relativitätstheorie verhält es sich allerdings noch eine Spur vertrackter. Die Light-Version besagt ungefähr: Je schneller sich jemand oder etwas bewegt, desto langsamer vergeht seine Zeit im Verhältnis zur Umgebung.
Bisher waren sich alle mit Herrn Einstein einig, das komme erstens echt selten vor, sei zweitens sowieso erst bei annähernder Lichtgeschwindigkeit zu beobachten und sei drittens schon wegen der in den meisten zivilisierten Ländern herrschenden Tempolimits experimentell kaum durchführbar.
Mit ausreichend Geduld …
Die oft zitierten amerikanischen Wissenschaftler waren nun in der Lage zu beweisen, dass die Zeit tatsächlich aus Gummi ist. Das Wissenschaftsmagazin Science berichtet von Forschern des Eichinstituts NIST in Boulder, Colorado, die über sehr, sehr genaue Uhren verfügen, die in Milliarden Jahren nur eine Sekunde nachgehen, was freilich vernachlässigbar ist, weil man nach so langem Unterwegssein in jedem Fall zu spät dran ist.
Die den Umgang mit extremer Pünktlichkeit gewohnten Physiker schalteten einen Lichtleiter zwischen die Uhren und stellten fest: Wenn die eine von beiden einige Zentimeter höher steht als die andere, tickt sie schneller - einen Tick, quasi. Das ist bemerkenswert, wie die Redaktion der "Süddeutschen Zeitung" jetzt errechnet hat: Ein Autofahrer könnte es demzufolge schaffen, am Ziel seiner Reise eine ganze Sekunde jünger zu sein als ein gleichzeitig aufgebrochener Fußgänger - sofern der Sprit des Fahrers für 57 Millionen Jahre reicht, weil es so lange dauern würde.
Auch der Breitengrad spielt eine Rolle. "Wer 80 Jahre in Hamburg statt in München lebt, hat am Ende eine Sechstausendstel Sekunde gewonnen", haben die Kollegen aus Bayern errechnet.
… geht alles ganz schnell
Da klingt verständlicher Neid der Südländer gegenüber denen da oben im Norden an. Apropos die da oben: Die geografische Höhe ist ein weiterer Faktor, der die Zeit zu stauchen vermag. Nicht ohne gesellschaftliche Brisanz ist dabei die Kalkulation, dass Menschen in der zehnten Büroetage schneller altern als die in mehrfacher Hinsicht niederen Chargen im Erdgeschoss - "in fünf Jahren des gemeinsamen Berufslebens eine Fünfmillionstel Sekunde", heißt es.
Wie wahr! Eine Spontanumfrage in der evangelisch.de-Redaktion, die unterm Dach eines schmucken Gebäudekomplexes am Frankfurter Stadtrand residiert, ergab: Das mit dem schnelleren Altern stimmt. Fazit: Wer in flotter Bewegung bleibt, altert weniger. Und die Zeit arbeitet gegen die oberen Ränge. Danken Sie mal drüber nach. Und lassen Sie sich ruhig Zeit dafür.
Thomas Östreicher ist freier Mitarbeiter bei evangelisch.de.