TV-Tipp des Tages: "Harlan - Im Schatten von Jud Süß"
Der Film "Jud Süß" ist mit dem Namen Veit Harlans verbunden, der in dem Propagandastreifen die Hauptrolle spielte. Diese WDR-Doku folgt den Spuren des Schauspielers.
23.09.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Harlan – Im Schatten von Jud Süß", 23. September, 23.15 Uhr im WDR-Fernsehen

Die bildliche Vorstellung eines Wandersplitters verursacht spontanes Unbehagen. "Wandersplitter" hieß vor einigen Jahren ein filmisches Porträt des Autors Thomas Harlan. Er ist der Sohn von Veit Harlan, dessen Name untrennbar mit "Jud Süß" verbunden ist, jenem Drama, das widerwärtiger als alle anderen Filme den Antisemitismus der Nationalsozialisten verdeutlichte. In dem Porträt von Thomas Harlan war "Jud Süß" allerdings nur eine Fußnote; eine offenkundige Lücke, die Felix Moeller nun mit seinem Film "Harlan – Im Schatten von Jud Süß" schließt.

Moeller ist Experte für das filmische Schaffen während des "Dritten Reichs". In seiner Dokumentation konzentriert er sich aber weniger auf das Machwerk Veit Harlans, sondern auf die Folgen dieser Arbeit für die Familie. Der Regisseur wurde wegen "Jud Süß", mit 20 Millionen Zuschauern einem der erfolgreichsten deutschen Filme überhaupt, als Verbrecher gegen die Menschlichkeit angeklagt, aber freigesprochen. Der Verurteilung seiner Kinder jedoch entging er nicht. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie sehr die Nachkommen das Detail aus der Familienbiografie als Wandersplitter empfunden haben müssen.

Bis auf wenige, von August Zirner markant gesprochenen Kommentare beschränkt sich Moeller auf die Gespräche mit den Kindern und Kindeskindern. Am interessantesten sind dabei die Unterschiede zwischen den Generationen: Während Harlans Söhne und Töchter die Inszenierung von "Jud Süß" unverzeihlich finden, ist die Haltung der Enkelgeneration deutlich differenzierter. Gerade in der Montage dieser Aussagen liegt eine große Qualität des Films, der durchaus fesselt, obwohl er zu großen Teilen aus Interviewpassagen besteht. Natürlich ergänzt Moeller die Gespräche zudem um eine angemessene Anzahl von Ausschnitten, zumal Harlan seine Karriere nach dem Zweiten Weltkrieg nahtlos fortsetzen konnte. Auch Gattin Kristina Söderbaum, vom Volksmund wegen ihres regelmäßigen melodramatisch inszenierten Ablebens respektlos als "Reichswasserleiche" bezeichnet, segnete weiterhin auf der Leinwand munter das Zeitliche. Der WDR zeigt den Film pünktlich zum heutigen Start des Kinofilms "Jud Süß - Film ohne Gewissen" von Oskar Roehler.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).