Göring-Eckardt: Zuspruch hat mit Glaubwürdigkeit zu tun
Die Grünen haben in Umfragen mit der SPD gleichgezogen. Grund für den hohen Zuspruch sei die Glaubwürdigkeit der Partei, meint die Grünen-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Katrin-Göring Eckardt. Im Interview mit evangelisch.de spricht die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland über den Atomausstieg, die Zusammenarbeit mit anderen Parteien und das grüne Führungspersonal.
22.09.2010
Die Fragen stellte Henrik Schmitz

Soviel Zuspruch hatten die Grünen noch nie. Wie fühlt sich das an, auf einmal so beliebt zu sein?

Katrin Göring-Eckardt: Das fühlt sich natürlich gut an, aber es ist auch eine Herausforderung. Die Menschen trauen den Grünen etwas zu. Wir haben die Verantwortung, dieses Vertrauen nicht zu enttäuschen.

Profitieren die Grünen nicht einfach nur von der Schwäche der aktuellen Regierung?

Göring-Eckardt: Die Regierung gibt seit geraumer Zeit ein schwaches Bild ab, das allein erklärt den Zuspruch also nicht. Das Hauptthema ist denke ich die Glaubwürdigkeit der Grünen. Die Finanzkrise beispielsweise beschäftigt viele Menschen, die sich genau anschauen, welche Antworten die verschiedenen Parteien geben und wie glaubwürdig sie dabei sind. Offenbar fühlen sich die Menschen hier bei den Grünen gut aufgehoben.

Einfach nur dagegen?

Was macht die Grünen denn aus ihrer Sicht glaubwürdig?

Göring-Eckardt: Wir machen keine Politik für Lobbygruppen und wir bleiben bei unseren Positionen, auch wenn es schwierig wird und wir mal nicht so viel Zuspruch dafür bekommen. Kern unserer Politik war und ist soziale und ökologische Gerechtigkeit. Von diesem Kurs lassen wir uns nicht abbringen, das honorieren die Menschen.

Der "Spiegel" hat kürzlich von der "Dagegen-Republik" gesprochen. Greifen die Grünen nicht einfach nur dieses diffuse "Dagegen-Gefühl" auf, weil sie gegen Atomkraft und gegen Stuttgart 21 sind?

Göring-Eckardt: Man muss immer demütig bleiben und kann natürlich nie genau sagen, woher der Zuspruch insgesamt kommt. Aber die Grünen sind ja nicht einfach nur "dagegen", sondern für eine bestimmte Politik. Wir sind dafür, die erneuerbaren Energien zu fördern und die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. Und wir sind dafür, die Menschen ernst zu nehmen, in dem, was sie bewegt. Im übrigen kämpfen die Grünen seit 30 Jahren gegen Atomkraft und für eine ökologische Verkehrspolitik mit Augenmaß – das ist so gesehen nichts neues.

SPD als Juniorpartner

Wenn die Grünen in Baden-Württemberg am Ende vor der SPD liegen, bevorzugen die Sozialdemokraten es vielleicht, Juniorpartner in einer großen Koalition zu werden. Was hilft Ihnen der große Zuspruch, wenn sie doch wieder nur in der Opposition landen?

Göring-Eckardt: Man kann immer in der Opposition landen, das gehört zur Demokratie. Aber die Frage nach etwaigen Koalitionen stellt sich aktuell ohnehin nicht. Die jetzt abgefragten Stimmungen sind noch keine Stimmen. Deshalb sorgen wir dafür, dass wir nicht abheben sondern auf dem Teppich bleiben und kämpfen für gute Wahlergebnisse in den anstehenden Landtagswahlen.

Was hat sich geändert, dass die Grünen von einer kleinen Partei am linken Rand zu einer Partei geworden sind, die für viele wählbar ist?

Göring-Eckardt: Grüne Anliegen haben immer bis in die Mitte der Bevölkerung hinein eine große Rolle gespielt. Das war auch schon in der "alten Bundesrepublik" so. Aktuell erleben wir aber eine Krise nach der anderen und wir sehen, dass die anderen Parteien versuchen, darauf mit den alten Rezepten zu reagieren oder Probleme auszublenden, sobald hier und da gute Wachstumszahlen veröffentlicht werden. Außerdem brennt vielen Menschen nach wie vor die Klimafrage und die Frage der weltweiten Gerechtigkeit unter den Nägeln. Wir Grünen packen diese Themen an.

Der Zuspruch für die Grünen ergibt sich sicher auch aus der Polarisierung mit der amtierenden Regierung. Hat sich die schwarz-grüne Option inzwischen erledigt?

Göring-Eckardt: Die CDU macht das Gegenteil von dem, was in Sachen Atomausstieg gesellschaftlicher Konsens war und mehrheitlich ist. Was Rot-Grün damals verabschiedet hat, war ja nicht grüne Position pur, sondern wir haben Kompromisse gemacht, die uns auch sehr weh getan haben. Wenn die CDU nun diesen Atomkonsens aufkündigt, ist klar, dass es auf dieser Grundlage mit uns keine Zusammenarbeit geben kann und geben wird.

Das grüne Spitzenpersonal

Die Grünen Spitzenleute wie Jürgen Trittin, Renate Künast oder Claudia Roth stehen ja nicht nur für den Atomausstieg, sondern für die abgewählte rot-grüne Regierung, die unter anderem die Agenda 2010 verabschiedet hat. Sind sie mit diesem Personal wirklich gut aufgestellt oder müssten nicht neue Gesichter die Partei vertreten?

Göring-Eckardt: Den Zuspruch, den wir aktuell erhalten, bekommen wir mit diesen Personen. Das spricht für sich. Die Führungsmannschaft auszuwechseln wäre das falsche Signal. Aber die Grünen sind natürlich eine Partei, deren Türen weit offen stehen für Menschen, die sich bei uns engagieren wollen.

Fürchten Sie den FDP-Effekt. Die Liberalen haben bei der Bundestagwahl ein Traumergebnis hingelegt und sind nun in Umfragen abgestürzt, weil sie offenbar die hohen Erwartungen nicht erfüllen konnten.

Göring-Eckardt: Die FDP hat verschiedenes versprochen, was sie dann nicht eingehalten hat, weil es von Anfang an unrealistisch war. Das kann uns nicht passieren. Außerdem haben wir nicht den Übermut der FDP. Bei uns klebt sich niemand eine Zahl unter die Schuhsohle. Das ist ein wesentlicher Unterschied.


Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt ist Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Seit 2009 ist sie Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und wird den Deutschen Evangelischen Kirchentag 2011 in Dresden leiten.

Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de