Nichts anzuziehen? Sprüh Dir doch ein T-Shirt
Der Mode-Designer Manel Torres hat ein neues Verfahren entwickelt, Kleidung zu produzieren: per Sprühdose. Die Fäden schließen sich auf der Haut zu Kleidungsstücken zusammen.
21.09.2010
Von Britta Gürke

Wenn Mode-Designer Manel Torres seine Show bei der Londoner Fashion Week vorbereitet, werden die Kleider erst ganz kurz vorher fertig. Torres sprüht sie seinen Models nämlich direkt auf den Leib. Zusammen mit einem Chemiker entwickelte er ein Material, das auf der Haut zu Stoff wird.

"Jedes Kleidungsstück, dass hier entsteht, ist absolut einzigartig und persönlich", sagt Torres und setzt sich eine Plastik-Schutzbrille auf. Statt mit Nadel und Faden hantiert er mit einer Spritzpistole, mit der normalerweise Autos lackiert werden. Model Linda Reinvalde steht wie eine Statue im grellen Neonlicht des Chemie-Labors und lässt sich das weiße Material auf die nackte Haut sprühen. "Man merkt es eigentlich gar nicht, es ist höchstens ein bisschen kühl", sagt sie, während sich die dünnen Fäden zum Shirt zusammenschließen.

Auch Waschen funktioniert

Die Sprühsitzung für eine T-Shirt mit kurzem Arm dauert ungefähr zehn Minuten - und hat absolut nichts Glamouröses. Am Schluss bekommt Linda noch ein paar Farbflecken auf das neue Kleidungsstück und kann es dann ganz locker aus- und wieder anziehen. Sogar Waschen funktioniert.

"Das Konzept ist wahnsinnig clever", meint Mit-Erfinder und Partikeltechnologie-Professor Paul Luckham, weil durch die chemische Zusammensetzung praktisch jeder Stoff und zahlreiche Materialien, Farben und andere Flüssigkeiten vermischt werden könnten. So hat das Team aus Chemiker und Modedesigner neben Baumwolle und Wolle auch schon Nerz-Fasern auf Models gepustet.

Torres will die Erfindung bald auf den Markt bringen und zu Geld machen. Ein Anfang ist gemacht: In Torres' spanischer Heimat kommt die Sprühdose in wenigen Monaten zunächst in Bastel- und Heimwerkerläden ins Regal. Allerdings ist der Stoff in dieser Form noch nicht zum Auftragen auf die Haut geeignet. Bis dahin sind noch einige Weiterentwicklungen nötig.

Zehn Jahre Arbeit

"Die Anwendung des Spray-On-Materials in der Mode ist ein wunderbarer Weg, um das Konzept bekanntzumachen", sagt Luckham in dem Labor am renommierten Londoner Imperial College. Allerdings soll es nicht dabei bleiben. Er kann sich zum Beispiel auch Mullbinden aus der Sprühdose vorstellen. Dafür müsste der Stoff nur mit antiseptischer Arznei gemischt werden. Auch ein Schuhputztuch gehört zu seinen Plänen. Dazu soll in der Sprühdose Schuhcreme mit drin sein.

Schon rund zehn Jahre arbeiten Torres und Luckham an den Stoffen aus der Dose. "Manel wollte für seine Doktorarbeit ein sprühbares Shirt entwickeln", erinnert sich der Professor. "Er hat mich im Internet gefunden und einfach kontaktiert. Und ich dachte: Lass es uns ausprobieren." Luckham entwickelte und perfektionierte dann über Jahre die Technik, bei der einzelne Fasern mit einem Bindemittel zusammengebracht und dann mit Hilfe eines Lösungsmittels zum Spray werden. "Wenn das Material auf der Haut landet, ist das Lösungsmittel bereits verdunstet und der Stoff schon zum festen Material geworden." Das sieht dann ähnlich aus wie etwa bei Filz, ist aber feiner und tragbarer.

dpa